„Unsere Stärke liegt in der Mobilität ‑ wir können in jede Ecke, in jede Siedlung, in jede Nische hinein.“
Onur Bakış im Gespräch mit Dilara Akarçeşme
Onur Bakış, mehrfacher österreichischer Meister im Breakdance, ist Tänzer, Kulturschaffender und Gründer des Vereins Doyobe („do your best“). Seit über 17 Jahren lebt und arbeitet er in Salzburg und verfolgt das Ziel, Jugendliche für die Hip-Hop-Kultur zu begeistern. In seiner Praxis bringt er Personen aus unterschiedlichen Welten zusammen, wie etwa Schuhplattler und Breakdancer. Im Interview erzählt Bakış von Herausforderungen der kulturellen Teilhabe migrantischer Kinder, der Notwendigkeit von Räumen und Mobilität sowie davon, warum in einem Wohn- oder Kinderzimmer keine Kultur gelebt werden kann.
Was bedeutet für dich kulturelle Teilhabe in Salzburg und darüber hinaus?
Kulturelle Teilhabe bedeutet für mich, dass verschiedene Kulturen und Menschen zusammenkommen, ihre Kultur mitbringen, die lokale Kultur entdecken und diese auch formen, begleiten und mitbestimmen dürfen, und zwar immer mit ihrer Kultur gemeinsam. Wir versuchen, verschiedene Maßnahmen mit den Teilnehmern zu treffen, um ihnen die Möglichkeit und Freiheit zu geben, sich in ihren Ideen und in ihrer Welt auszuleben. Sie sollen sagen: „Ich bin hier willkommen“ – nicht nur willkommen im Sinne von Integration, weil sie zu verschiedenen Kulturen gehören, sondern weil sie wirklich willkommen sind. Es soll Organisationen geben, die auf mich zugehen oder auf die ich zugehe. Man soll offen miteinander sein und Projekte, Aktivitäten und Maßnahmen entwickeln, die für alle Seiten Sinn machen.
Wir als Doyobe versuchen, in verschiedene Nischen und Kulturen hineinzukommen. Das gelingt uns natürlich nicht immer, aller Anfang ist schwer. Es gibt eine Warm-up-Phase und nach ein paar Tagen, Wochen oder Monaten, je nachdem wie das Projekt aufgesetzt ist, findet man zueinander, die Barrieren werden abgebaut und man gewinnt eine ganz andere Sichtweise. Das wollen wir schaffen, denn das ist nicht immer selbstverständlich. Man konsumiert Informationen, Daten und Symbole, die in der ganzen Welt herumgestreut werden und nimmt sie zufällig auf. Die stimmen nicht immer überein. So versuchen wir mit Kulturprojekten diese Offenheit von Menschen wirklich darzustellen, damit alle etwas davon haben.
Wir konnten schon viele positive Seiten sehen. Wir haben Jugendliche aus Israel, Marokko, Frankreich, England, der Türkei und den USA eingeladen. Sie haben in der Kulturstadt Salzburg, die eigentlich für Hochkultur bekannt ist, zueinander gefunden. Wir wollten etwas Neues initiieren. Die Hip-Hop-Kultur kommt zwar aus den USA, aber wir formen sie, bringen sie hierher und machen eine Synergie zwischen Mozart, Hip-Hop und der Welt. Bei uns hat es irgendwie geklappt, dass mit der Hip-Hop-Kultur und der Hip-Hop-Szene in Salzburg verschiedene Menschen in Salzburg zueinander gefunden und sich ausgetauscht haben. So konnten wir viele Beobachtungen aufzeichnen.
Es ist zum Beispiel interessant, dass ein marokkanischer Tänzer, der etwas Bestimmtes über Salzburg auf YouTube gesehen hat, nach Salzburg kommt. Er kennt die Künstler und die Szene nicht, mischt aber die gesamte Szene auf. Er mischt Professionelle aus den USA und Korea mit seiner arabischen Tanzkultur auf, verknüpft mit der Hip-Hop-Kultur aus den USA. Die Marokkaner tanzen zum Beispiel extrem gut und dann beten sie plötzlich im Vorraum des Jugendgästehauses. Die Amerikaner schauen dann nur. So brechen Barrieren – etwas, das man über Medien nicht erreichen kann. Man muss schon richtig aufwühlen in der Welt, dass man solche Kulturbarrieren und Sichtweisen überwindet. Dann kann gesagt werden: „Das ist eigentlich ein ganz normaler Künstler.“ Sie haben ihre Sitten und Gebräuche und diese leben sie auch überall. Der Mensch bringt nicht nur seine Kultur, sondern auch seine Sitten und Gebräuche mit. Die transferiert er dann nicht nur nach Salzburg zu den Bürgern, sondern auch in die Welt. Wir laden Künstler aus der ganzen Welt ein, die hier diese Geschehnisse konsumieren und es in ihrem Heimatland verteilen. In Korea oder in den USA wird dann erzählt: „Hey, ich war in Salzburg und da war ein Marokkaner, der extrem gut tanzte.“
Dilara Akarçeşme, Onur Bakış ( 2019): „Unsere Stärke liegt in der Mobilität ‑ wir können in jede Ecke, in jede Siedlung, in jede Nische hinein.“. Onur Bakış im Gespräch mit Dilara Akarçeşme. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 10 , https://www.p-art-icipate.net/unsere-staerke-liegt-in-der-mobilitaet-%e2%80%91-wir-koennen-in-jede-ecke-in-jede-siedlung-in-jede-nische-hinein/