Das Regionalmuseum als lokaler Treffpunkt und Ort mutiger, kritischer Fragen

Museumsleiterin Ingrid Weydemann spricht mit Anita Moser über die Rolle von Regionalmuseen, Beispiele kultureller Teilhabe und kulturpolitische Forderungen

Seit 1991 leitet Ingrid Weydemann das Museum Fronfeste in der Salzburger Gemeinde Neumarkt am Wallersee, das sie nicht als ein ‚normales‘ Heimatmuseum, sondern als Drehscheibe und Treffpunkt vor Ort positionieren möchte. Auf dabei umgesetzte Ansätze kultureller Teilhabe, auf die kritische und gesellschaftspolitische Rolle von Museen sowie zentrale kulturpolitische Forderungen für ländliche Räume geht sie im folgenden Gespräch ein.

Wie wird im Museum Fronfeste kulturelle Teilhabe umgesetzt?

Kulturelle Teilhabe ist ein dehnbarer Begriff. Wir haben viele verschiedene Ansätze zu dieser Thematik: Das beginnt damit, dass wir Asylwerber bereits seit über 26 Jahren einladen, ins Museum zu kommen und es als Treffpunkt abseits von Deutschkursen zu nutzen. Dabei steht der Kulturaustausch im Vordergrund – sich zu treffen, Spaß zu haben, zu erkennen, wie die Geschichte bei uns verlaufen ist. Asylwerber erzählen von ihren Ländern und ihren Erfahrungen. Das macht uns wiederum vieles verständlich – von der Geschichte, von Krieg, von Flucht zum Beispiel. Ich denke, das ist eine kulturelle Teilhabe, die wir auf einer gemeinsamen Augenhöhe ermöglichen. Sich auf Augenhöhe zu begegnen, ist uns wichtig und zieht sich als Schlagwort durch.

Wir haben auch Vermittlungsprogramme für Kinder, Schulen und Erwachsene, Workshops, Vorträge und Partizipationsprozesse. Wir machen Projekte, bei denen wir mal eine Schule, mal die Bevölkerung einladen, sich daran zu beteiligen und damit die Sichtweise auf die Geschichte des Ortes, der Region und darüber hinaus mitzugestalten, eine eigene Wahrheit zu finden und nicht nur Gegebenes unflektiert zu übernehmen.

Es gibt bei uns auch viele Projekte im Außenbereich. Wir haben einen Schanzwallweg kreiert, wo wir mit der Bevölkerung ein brachliegendes Denkmal wiederbelebt haben. Dort – und nicht im Museum – zeigen wir die Geschichte Neumarkts, weil die Menschen sich auf den Weg machen sollen, Geschichte, ihre Umwelt und ihr Umfeld zu entdecken und ihre eigenen Erfahrungen damit zu machen. Museum muss nicht in einem Gebäude, sondern kann überall stattfinden.

 

Das Museum als Ort mutiger und kritischer Fragen

Wie würden Sie die Rolle eines Museums in einem Ort wie Neumarkt beschreiben?

Unser Museum ist enorm wichtig als Drehscheibe für alle möglichen Themen, ob das zeitgenössische Kunst ist, Architektur, also die Baukultur hier im Ort, Fotografie, objektbezogene oder themenbezogene Ausstellungen. Das alles muss hier Platz haben, vor allem aber auch die Möglichkeit, kritische und mutige Fragen zu stellen und die Menschen aufzurütteln.

Es gibt die ICOM-Richtlinien*1 *(1), die alle Museen befolgen, aber es geht in Zukunft um weit mehr: Gerade jetzt ist es wichtig, gesellschaftspolitische Themen aufzugreifen, mit der Vergangenheit zu verbinden, die Gegenwart zu sehen und für die Zukunft daraus etwas zu machen und Wege zu eröffnen, die sich sonst nicht auftun würden. Ein Museum ist ein Ort, wo das stattfinden kann.

Als wir vorhin durch die Ausstellung gegangen sind, sagten Sie, es gebe Überlegungen, das Haus neu zu denken. Was ist damit gemeint?

Ich habe von meinem Vorgänger eine Sammlung – oder Ansammlung würde ich es fast nennen – übernommen und diese zunächst fortgesetzt und gepflegt, schließlich aber beschlossen, nur noch gezielt zu sammeln. Einige sehr wertvolle Werke sind bereits Teil unserer Sammlung. Sie soll sich auch in Zukunft auf das Museum Fronfeste an diesem Ort Neumarkt konzentrieren, der im 13. Jahrhundert unter den Salzburger Erzbischöfen als wehrhafte Grenzstadt zum feindlichen Ausland Österreich und Bayern gegründet wurde. Das wird eine Säule der Sammlungsstrategie sein.

Hier in Neumarkt lebt der Künstler Hans Weyringer und Neumarkt soll eine ‚Weyringerstadt‘ werden. Das ist ein Novum – zeitgenössische Kunst im Gemeindeleben ist nicht alltäglich. Man weiß auch, dass hier in Neumarkt eine berühmte Künstlerwerkstätte war, wo Künstler, Bildhauer und Maler wie Schwanthaler, Guggenbichler, Jakob Gerold und so weiter tätig waren. Dieses Thema deckt sich eigentlich mit der Künstlerwerkstatt Weyringer und dabei gibt es viele Aspekte, die es jetzt gilt, ebenfalls in der Sammlungsstrategie festzuhalten.

Die Ethischen Richtlinien für Museen des International Council of Museums (ICOM) bilden eine zentrale Grundlage der professionellen Arbeit von Museen und Museumsfachleuten. Man kann sie hier downloaden: http://icom-oesterreich.at/publikationen/icom-code-ethics (20.9.2019)

Anita Moser, Ingrid Weydemann ( 2019): Das Regionalmuseum als lokaler Treffpunkt und Ort mutiger, kritischer Fragen. Museumsleiterin Ingrid Weydemann spricht mit Anita Moser über die Rolle von Regionalmuseen, Beispiele kultureller Teilhabe und kulturpolitische Forderungen. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 10 , https://www.p-art-icipate.net/das-regionalmuseum-als-lokaler-treffpunkt-und-ort-mutiger-kritischer-fragen/