Zur Lage der freien Kunst- und Kulturschaffenden

Eine explorative Studie über Arbeitsbedingungen in der freien Kunst- und Kulturszene in und um Salzburg

Im Sommer 2019 begaben wir uns im Rahmen der Lehrveranstaltung Arbeitsverhältnisse und deren kritische Reflexion in Kunst und Kultur unter der Leitung von Anita Moser auf Spurensuche nach den Arbeitsbedingungen für Kulturarbeiter*innen in und um Salzburg. Ausgehend von der Beschäftigung mit prekären Arbeitsverhältnissen und der Studie zur sozialen Lage österreichischer Kunstschaffender, Kunst- und Kulturvermittler*innenstar (*1) wollten wir herausfinden, mit welchen Schwierigkeiten Mitarbeiter*innen von Kulturinitiativen konfrontiert sind und wo sie Handlungsbedarf sehen. Denn freie Kunst- und Kulturschaffende, die gemeinnützige, autonome Kulturarbeit betreiben und damit die Voraussetzung für kulturelle Vielfalt schaffen, wurden in der Studie nicht gesondert berücksichtigt.

Müssen Cultural Worker wirklich multi-skilled, flexibel, psychisch stark im Nehmen, unabhängig, alleinstehend (denn für Beziehungen verbleibt wohl keine Zeit) und ortsungebunden sein und überall zupacken, wo es nur geht, wie die Medienwissenschaftlerin Marie-Luise Angererstar (*2) fast zynisch schreibt?

Die Fachliteratur zeigt, dass Kulturarbeiter*innen – oftmals auch als prekarisierte Intellektuelle bezeichnet – im Schnitt weniger als die Hälfte des Gehalts von fix Angestellten im Kulturbereich oder von Beamt*innen verdienen. Hinzu kommt, dass Beschäftigten im Bereich Kunst und Kultur oftmals abgesprochen wird, dass das, was sie tun, Arbeit ist, welche eine Entlohnung verdient. Verdienen sie etwas mit ihrer Tätigkeit, müssen sie sich dafür rechtfertigen, denn ihre Arbeit wird oft als Hobby bezeichnet, sodass Verwirklichung und Freude genug Lohn sein sollten, beklagt eine von uns befragte Kulturarbeiterin. Die IG Kultur Österreich widmete dem Thema „Prekäres Leben und Arbeiten in der freien Kulturszene“ kürzlich eine eigene Ausgabe ihres Magazins.star (*3)

Trotz der steigenden Bedeutung des kulturell-kreativen Bereichs in unserer postindustriellen Gesellschafft, die nach Werten und Haltung sucht, findet eine zunehmende kapitalistische Ausschlachtung des Wertes von Kunst und Kultur statt. Elisabeth Mayerhofer und Monika Mokre orten sogar eine Unterordnung von Kreativität zugunsten des ökonomischen Erfolges und beobachten eine diskursive Verschiebung als Teil der gesamtgesellschaftlichen Ökonomisierung sozialer Beziehungen.star (*4) So hangeln sich Kulturproduzent*innen mir ihren gesellschaftskritischen Werken von Projekt zu Projekt, um ihr Leben zu finanzieren. Wie die Studie zur sozialen Lage österreichischer Kunstschaffender, Kunst- und Kulturvermittler*innen zeigt, nehmen Cultural Worker oft mehrere unsichere kunstnahe oder -ferne Jobs und prekäre Arbeitsverhältnisse in Kauf. Es wird ihnen suggeriert, dass sie ihre Arbeits- und Lebensverhältnisse frei gewählt hätten, um autonom die eigene Entfaltung zu ermöglichen. Isabell Loreystar (*5) stellt dabei die Frage nach dem Zusammenhang der Vorstellungen von Autonomie und Freiheit mit hegemonialen Subjektivierungsweisen in westlichen kapitalistischen Gesellschaften. Sie geht so weit, dieses Hinnehmen als Verlust von Widerständigkeit zu werten und warnt davor, damit aktiv Teil neoliberaler politischer und ökonomischer Verhältnisse zu werden.

Was sagen Menschen dazu, die tatsächlich in der freien Kunst- und Kulturarbeit tätig sind? In explorativen, teilgestützten Interviews sprachen wir mit sechs Frauen in und um Salzburg.*1 *(1) Ihr Tätigkeitsfeld zeigte ein breit gefächertes Bild: von der Geschäftsführung eines Kulturbetriebes bis hin zu freiwilligem Engagement in einem Literaturhaus, von der Mitarbeit in einer zeitgenössischen bildenden Kunstinitiative bis hin zum Theater.

 

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L&R Sozialforschung und österreichische Kulturdokumentation: Studie im Auftrag des Bundeskanzleramtes, September 2018: Soziale Lage der Kunstschaffenden und Kunst- und Kulturvermittler/innen in Österreich 2018, ein Update der Studie Zur sozialen Lage der Künstler und Künstlerinnen in Österreich 2008. Online unter: https://www.kunstkultur.bka.gv.at/kunst-studien-berichte

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Angerer, Marie-Luise (1999: 26), zit. n.: Ellmeier, Andrea (2003): Prekäre Arbeitsverhältnisse für alle? Kunst, Kultur, Wissenschaft als (negative) Avantgarde (alt-)neuer (Erwerbs)Arbeitsverhältnisse oder „Selbständig waren wir ja schon immer“. Online unter: https://www.igkultur.at/artikel/prekaere-arbeitsverhaeltnisse-fuer-alle-kunst-kultur-wissenschaft-als-negative-avantgarde

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IG Kultur Magazin (2008): Schwerpunktausgabe: Prekäres Leben. Online unter: https://www.igkultur.at/artikel/kultur-ist-arbeit

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Mayerhofer, Elisabeth/Mokre, Monika (2017): Geniekünstler und KulturarbeiterInnen – von der Freiheit der Kunst zur Wertschöpfung durch Kreativität. In: SWS Rundschau (47. Jg.), Heft 3/2007, S. 292-311). Online unter: http://www.sws-rundschau.at/archiv/SWS_2007_3_mayerhofer-mokre-artikel.pdf

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Lorey, Isabell  (2007): „Vom immanenten Widerspruch zur hegemonialen Funktion. Biopolitische Gouvernmentalität und Selbst-Prekarisierung von KulturproduzentInnen.“ In: Raunig Gerald / Wuggenig Ulf  (Hg.): Kritik der Kreativität. Wien: eipcp, S. 121-136.

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Siehe Schelepa, Susanne/Wetzel, Petra/Wohlfahrt, Gerhard, unter Mitarbeit von Anna Mostetschnig (2008): Zur sozialen Lage der Künstler und Künstlerinnen in Österreich. Endbericht L&R Sozialforschung im Auftrag des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur, Wien.

Informationen zum Studiendesign sind hier zu finden: Studiendesign

Patrizia Bieber, Anita Bruckschlögl ( 2019): Zur Lage der freien Kunst- und Kulturschaffenden. Eine explorative Studie über Arbeitsbedingungen in der freien Kunst- und Kulturszene in und um Salzburg. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 10 , https://www.p-art-icipate.net/zur-lage-der-freien-kunst-und-kulturschaffenden/