Nachgefragt: Wie steht es um den Kulturentwicklungsplan des Landes Salzburg?

Im Frühjahr 2018 wurde der Kulturentwicklungsplan des Landes Salzburg nach einem über einjährigen partizipativen Erarbeitungsprozess der Öffentlichkeit präsentiert. Rund zwölf Monate später gingen wir – Studierende der Paris-Lodron-Universität Salzburg und der Universität Mozarteum Salzburg – der Frage nach, wie bekannt der Kulturentwicklungsplan bei Salzburger Kulturnutzer*innen sowie Kunst- und Kulturschaffenden ist und wie seine Inhalte wahrgenommen werden. Basierend darauf verfassten wir in einem gemeinschaftlichen Prozess den folgenden Text.

 

1. Kulturpolitik muss (sich) bewegen

Kulturpolitik erschöpft sich laut dem Politikwissenschaftler und Musikerzieher Michael Wimmer nicht „in der Beschreibung von empirisch nachvollziehbaren Tatsachen“, sondern bezieht „ihre Eigenart […] erst aus ihrem Diskurscharakter“ (Wimmer 2011: 11).star (*5) In diesem Sinn versteht er seine Publikation über Kultur und Demokratie nicht als eine abschließende Darstellung kulturpolitischer Rahmenbedingungen, Inhalte und Akteur*innen, sondern „als eine Einladung zur Intensivierung der Fachdiskussion unter Einbeziehung eines möglichst breiten Spektrums von Akteursgruppen“ (ebd.).

Einem solcherart verstandenen Einladungscharakter des kulturpolitischen Diskurses folgend, setzten wir uns im Wintersemester 2018/19 im Rahmen der Lehrveranstaltung Kunst – Kultur – Politik: Praxisfelder, Strukturen und kritische Perspektiven *1 *(1) von Anita Moser mit dem im Jahr 2018 erschienenen Kulturentwicklungsplan des Landes Salzburg (kurz KEP oder Kulturentwicklungsplan) auseinander. Er wurde kritisch analysiert und für den vorliegenden Beitrag fragten wir insbesondere nach dem Bekanntheits- und Verbreitungsgrad seiner Inhalte. Ausschlaggebend für diesen spezifischen Fokus war die Tatsache, dass der KEP uns und den anderen Studierenden aus dem Kurs kein Begriff war, obwohl sie in Salzburg leben, viele von ihnen regelmäßig Kunst und Kultur ‚konsumieren‘ und zum Teil auch selbst produzieren.

In unserem Artikel werden zunächst der KEP und die Ergebnisse der Befragung zu seinem Bekanntheitsgrad sowie zur Einschätzung von Salzburgs Kulturpolitik vorgestellt. Im Anschluss daran werden hieraus Empfehlungen für die Erhöhung des Bekanntheitsgrades und die Gestaltung zukünftiger Kulturentwicklungspläne abgeleitet.

In der Hoffnung, neue Überlegungen und Diskussionen rund um das Thema Kulturpolitik und Kulturentwicklungspläne anzustoßen, lädt dieser Text die Leser*innenschaft zum kritischen Hinterfragen und sich Einmischen ein. Denn, um es mit den Worten des Salzburger Landesrats für Kultur und Soziales Heinrich Schellhorn zu formulieren: „Kulturpolitik muss sich bewegen, mit der Zeit und mit den Menschen gehen, sich weiterentwickeln. Sie darf sich nie mit dem Ist-Zustand zufriedengeben. Dieser Fortschritt gelingt am besten, wenn Kulturschaffende, Interessierte und Politik zusammenarbeiten, um gemeinsam zu verändern.“ (Land Salzburg 2018: 5)star (*3)

2. Der Kulturentwicklungsplan des Landes Salzburg

Der Kulturentwicklungsplan des Landes Salzburg ist ein Leitfaden für den zukünftigen Weg des Kulturlandes Salzburg. Ziel der Erarbeitung und Herausgabe war es, eine Grundlage für eine nachhaltige Absicherung der künstlerischen Produktion und der Kulturarbeit im gesamten Bundesland zu schaffen (vgl. Land Salzburg 2018: 5).star (*3)

Nach der Einleitung eines europaweiten Ausschreibungsverfahrens und der Auswahl des besten Konzepts durch eine Jury im Februar 2016 startete im April 2016 die konkrete Umsetzung. Der Prozess gliederte sich in drei Phasen: Zunächst wurde eine umfassende Bestandsaufnahme und Analyse des Salzburger Kunst- und Kulturbereichs angestellt. Die zweite Phase bildete eine mehrmonatige Workshop- und Diskussionsphase, sie stand unter den Schlagworten ‚Partizipation‘ und ‚Transparenz‘. Insgesamt beteiligten sich rund 600 Personen an dieser Phase.

Der Output der ersten beiden Phasen umfasste rund 2000 Vorschläge für Ziele und Maßnahmen, die wiederum die Basis darstellten für den in der letzten Phase erstellten strategischen Entwicklungsplan für das Land Salzburg. In einer dreiwöchigen Begutachtungsphase konnten Verbesserungsvorschläge und Kommentare eingebracht werden, auf deren Grundlage die 2018 von der Salzburger Landesregierung beschlossene Endfassung entstand.

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Dachverband Salzburger Kulturstätten (2018): LAND Salzburg: Das Kulturbudget 1996 – 2017 in der Übersicht. Online unter https://www.kultur.or.at/Materialien  (Zugriff am 01.07.2019)

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Land Salzburg/ Abt. Kultur, Bildung und Gesellschaft (Hg.) (2018): Kulturentwicklungsplan des Landes Salzburg. Visionen – Ziele – Maßnahmen. Salzburg: Land Salzburg. Online unter https://www.salzburg.gv.at/kultur_/Documents/WebNeu_Kulturentwicklungsplan.pdf (Zugriff am 12.07.2019).

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Stadt Salzburg (Hg.) (2018): Jahresbericht 2017 der Abteilung Kultur, Bildung und Wissen. Online unter https://www.stadt-salzburg.at/pdf/kulturbericht_2017.pdf (Zugriff am 01.07.2019).

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Wimmer, Michael (2011): Kultur und Demokratie, Eine systematische Darstellung von Kulturpolitik in Österreich. Innsbruck/Wien/Bozen: StudienVerlag.

Die Lehrveranstaltung wurde am Programmbereich Zeitgenössische Kunst und Kulturproduktion des Schwerpunkts Wissenschaft und Kunst (eine Kooperation von der Paris-Lodron-Universität Salzburg und der Universität Mozarteum Salzburg) angeboten. Dabei führten alle LV-Teilnehmer*innen Befragungen durch. Während einige darauf basierend Einzelarbeiten verfassten, entschlossen wir uns zu dem gemeinsamen Projekt, bei dem wir alle gesammelten Daten auswerteten und den vorliegenden Text erstellten. Dabei waren die Aufgabebereiche – Auswertung der Daten und grafische Darstellung, Verfassen von Textbausteinen (wie Einleitung, Informationen zum KEP, Interpretation der Datenauswertung, Maßnahmen …) und Zusammenführen der Bausteine – klar verteilt und wir stimmten uns auch laufend ab. Anita Moser gab inhaltliche Inputs und Rückmeldungen und hatte beratende und lektorierende Funktion.

Dabei handelt es sich um im Rahmen der Grounded Theory angewendete Verfahren der Kodierung und Auswertung von Daten. Vgl. z.B. Hülst, Dirk (2011): Grounded Theory. Online unter http://www.fallarchiv.uni-kassel.de/backup/wp-content/plugins.old/lbg_chameleon_videoplayer/lbg_vp2/videos//huelst_grounded_theory.pdf

Aus der Stichprobenerhebung lassen sich keine Rückschlüsse dazu ziehen, inwiefern sich diese kritische Haltung gegenüber dem Hochkultursektor mit den Einstellungen der Gesamtbevölkerung hinsichtlich der Kulturpolitik Salzburgs deckt.

2017 betrug das Kulturbudget das Landes Salzburg € 48.037.241, davon wurden mit € 6.387.292 13,3 % für freie Förderungen ausgegeben (vgl. Dachverband Salzburger Kulturstätten (2018): LAND Salzburg: Das Kulturbudget 1996 – 2017 in der Übersicht. Online unter https://www.kultur.or.at/Materialien (Zugriff am 01.07.2019). Im Kulturbudget der Stadt Salzburg betrug das Budget für die freie Kulturförderung im Jahr 2017 mit € 5.133.900 etwa ein Fünftel des Gesamtkulturbudgets (insgesamt € 26.660.300) (vgl. Stadt Salzburg (Hg.) (2018): Jahresbericht 2017 der Abteilung Kultur, Bildung und Wissen, S. 3. Online unter https://www.stadt-salzburg.at/pdf/kulturbericht_2017.pdf (Zugriff am 01.07.2019)).

Von diesem Denken scheint sich auch der KEP nicht maßgeblich befreien zu können. Die Präambel eröffnet mit den Worten: „Kunst und Kultur spielen im Land Salzburg eine herausragende Rolle. Die Salzburger Festspiele, weltweit das bedeutendste Festival für klassische Musik und darstellende Kunst, genießen national wie international höchste Reputation und tragen immens zur Strahlkraft des Kulturlandes Salzburg bei.“ (Land Salzburg 2018: 11) Erst danach wird Bezug genommen auf die restliche Kunst- und Kulturszene im Land Salzburg.

Patrizia Bieber, Anita Bruckschlögl, Martina Fladerer, Magdalena Fuchs, Marie-Theres Ivanov ( 2019): Nachgefragt: Wie steht es um den Kulturentwicklungsplan des Landes Salzburg?. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 10 , https://www.p-art-icipate.net/nachgefragt-wie-steht-es-um-den-kulturentwicklungsplan-des-landes-salzburg/