Auf dem Wissen von anderen politischen Kämpfen aufbauen
Sheri Avraham, Zuzana Ernst und Ivana Pilić im Gespräch mit Anita Moser und Gwendolin Lehnerer
Der erste Schritt ist die Sichtbarmachung und dann von dort ausgehend Strukturen zu verändern.
Was ist eure Vision von D/Arts für Salzburg? Welche Tipps würdet ihr uns mitgeben?
ZE: Eine Struktur – und damit habt ihr ja auch schon begonnen –, damit diese Kräfte gebündelt werden, damit ein Netzwerk entstehen kann, welches von dem Wissen schöpft, das schon da ist, von den Kämpfen, die bereits geführt werden und noch geführt werden müssen. Dafür sollte ein Gefäß, eine Plattform geschaffen werden, damit in Richtung Politik, der Organisationen, der Institutionen eine Bewegung entsteht.
Ich glaube, die Sichtbarmachung ist ein wichtiger erster Schritt, der ja auch etwas mit der Gesellschaft macht, so dass Diversität nicht als Anomalie oder als etwas am Rande wahrgenommen wird, sondern langsam zu einer Selbstverständlichkeit wird – auch in Salzburg. Der erste Schritt ist das Aufzeigen und dann von dort ausgehend Strukturen zu verändern.
SA: Ich denke, der größere Spaß wäre vielleicht, mit einer Institution wie den Festspielen zu kooperieren. Da gibt es viele Möglichkeiten, radikal neu zu denken. Das wäre vielleicht ähnlich wie bei uns in Wien die Kooperation mit dem Musikverein, der in Wien und Österreich sehr mächtig ist. Mit so einer Institution einen Prozess zu beginnen, wäre bestimmt gut. Es wird sich aber schon einiges verändern, wenn D/Arts Salzburg etabliert wird, das ist sicher ein guter Anfang.
Die Festspiele haben großen Einfluss in Salzburg. Mit ihnen als Kooperationspartner könnte einiges in Gang gesetzt werden.
SA: Wir sehen das anders: Sie sind diejenigen, die in einem solchen Prozess gewinnen. Intersektionalität ist ein wichtiges Werkzeug, um Freiheit zu denken, sich selbst und anderen gegenüber weich zu werden und auch um eine spannende, herausfordernde Kunst und Kultur zu schaffen. Sie brauchen solche Expertise wie die unsere, um aktuell zu bleiben.
IP: Alles was Sheri sagt, finde ich sehr wichtig. Gleichzeitig muss man auch bei dem ansetzen, was man selbst als Institution tut. Die Interuniversitäre Einrichtung Wissenschaft und Kunst und das eJournal p-art-icipate vom Programmbereich Zeitgenössische Kunst und Kulturproduktion sind Ressourcen, die es gibt und die genutzt werden. Wichtig wäre auch, nach innen zu schauen: Wie besetzt man, wie setzt man sich ein, rhetorisch und in der Praxis, wo sieht man Veränderungen, zum Beispiel in der Personalstruktur, wo bildet man quasi ein ‚kleines Nest‘ um stärker zu sein, was für die Verhandlungen, wie Sheri gesagt hat, ein zentraler Punkt ist.
Ob man als Institution, die sich für Diversität einsetzt, nur profitiert, weiß ich nicht. Natürlich gibt es einen Profit davon on the long run, im Sinne einer Vision für ein gesellschaftliches Wir, das man sein möchte, und um gewappnet zu sein für die Zukunft. Aber das ist nicht einfach. Es bedeutet, sich auf unterschiedliche Menschen einzulassen, und das ist oft mit Reibung und Anstrengung verbunden. Das gehört dazu und darauf muss man sich einlassen, damit die Personen, die inkludiert werden, nicht völlig unter Druck sind, sich zu assimilieren. Das heißt auch, Begegnung mit ganz unterschiedlichen Systemen, aber auch Menschen.
Sheri Avraham, Zuzana Ernst, Ivana Pilić, Anita Moser, Gwendolin Lehnerer ( 2022): Auf dem Wissen von anderen politischen Kämpfen aufbauen. Sheri Avraham, Zuzana Ernst und Ivana Pilić im Gespräch mit Anita Moser und Gwendolin Lehnerer. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 13 , https://www.p-art-icipate.net/auf-dem-wissen-von-anderen-politischen-kaempfen-aufbauen/