Frictions and Fractions?! Kritische Perspektiven auf Kulturarbeit, Kulturvermittlung und Diversity
PPB: Diversity bzw. Diversität sind Begriffe, die einerseits viel verwendet werden, andererseits als Konzepte meist inhaltsleer sind, also reine Papierarbeit bedeuten (vgl. für Universitäten Ahmed 2011 (*1) und 2012) (*2) und/oder zu einer Image-Sache geworden sind (vgl. für Unternehmen Schönefeld 2017). (*19) Vlatka Frketić entwickelt bereits seit mehr als 15 Jahren eine Form des Kritischen Diversity, das wir gemeinsam im Rahmen des Verein ][diskursiv*2 *(2) und darüber hinaus ständig weiter entwickeln (vgl. u.a. Frketić 2014 ). (*8) Diese Form des Kritischen Diversity bedeutet eine differenzierte und intersektionale Herangehensweise. Der Ankerpunkt unseres Zugangs ist eine kritische Haltung, wobei Sprache und sprachliches Handeln sowie Diskriminierung und der Fokus auf Strukturen sehr wichtig sind – wir schauen nicht nur auf die individuellen Handlungen. Diversity ist in diesem Verständnis ein Prozess, eine ständige Weiterentwicklung und Veränderung, kein statisches Produkt, keine oberflächliche Imagepflege, sondern eine intensive Auseinandersetzung, die den jeweils Privilegierten auch mal wehtun kann. Es bedeutet eine parteiische Haltung, die Minderheiten und ihre Forderungen in den Mittelpunkt rückt, die (aktivistisches) Erfahrungswissen ernst nimmt. Ziel ist eine sozial gerechte(-re) Gesellschaft mit Teilnahme- und Teilhabemöglichkeiten für alle, die im jeweiligen Moment Teil der Gesellschaft sind. Deshalb braucht es den Wechsel bisheriger Diversity- und oft auch Antidiskriminierungsansätze ‑ weg von Identitäten hin zu den den dahinterliegenden Werten, Normen und Mächten. Sehr wichtig sind uns die vier Prinzipien Langsamkeit, Kritik, Respekt und Verantwortung, um kritische Denk- und Handlungsräume so zugänglich wie möglich zu machen. Ich denke, dass dieser Ansatz sehr fruchtbar sein kann für eine kritische Kulturarbeit.
Etwa binden wir verschiedene Modelle aus dem Diversity Management in unsere Arbeit ein: zum Beispiel das Modell der verschiedenen Ebenen als Analyse-, Reflexions- und Interventionstool. Das Modell hilft, Stereotypen, Diskriminierungen und unsichtbare (Gesellschafts-)Normen aufzudecken und an konkreten Situation abzuarbeiten. Dabei wird meist von folgenden drei bis fünf Ebenen ausgegangen: der individuellen, sozialen und institutionellen Ebene (vgl. Frketić 2014: 32-33) (*8) bzw. der individuellen, interaktionalen, organisationalen, gesellschaftlichen und globalen Ebene (vgl. Bargehr/Johnston-Arthur 2018). (*3)
AM: Bei dem Modell der verschiedenen Ebenen geht es also darum zu analysieren, wie Diskriminierung auf welcher Ebene funktioniert?
PPB: Genauer gesagt, wie auf diesen Ebenen Diskriminierung hergestellt wird. Es soll also wirklich herausgearbeitet werden, welche Bedingungen etwa eine konkrete rassistische Situation in der Kulturvermittlung ermöglicht haben: Was war zwischen den einzelnen Personen, wer hat was gesagt oder getan? Wen hat es getroffen und wer hat davon profitiert? Wer hat geschwiegen und weggeschaut? Auf der institutionellen Ebene kann angeschaut werden, was die Organisationsstruktur eines Museums z.B. dazu beigetragen hat, was die Ausstellungsstücke und deren Vermittlung. Aber auch, welche Gesetze im Hintergrund wirksam sind und Ähnliches. Auf der globalen Ebene kann herausgearbeitet werden, wie etwa kolonial gewachsene Strukturen und globale Ungleichheiten den Rahmen für diese rassistische Situation geboten haben.
Persson Perry Baumgartinger, Anita Moser ( 2018): Frictions and Fractions?! Kritische Perspektiven auf Kulturarbeit, Kulturvermittlung und Diversity. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 09 , https://www.p-art-icipate.net/frictions-and-fractions-kritische-perspektiven-auf-kulturarbeit-kulturvermittlung-und-diversity/