Verstehen Sie Kunst?

1. Input

Beim Modell „Input“ erhalten die BesucherInnen aufbereitete Informationen zur Ausstellung, die von biografischen Fakten bis zu kunsthistorischen Verweisen reichen können. Damit lassen sich vor allem Führungen als typische Methodik der Kunstvermittlung fassen, welche in ihrer Durchführung von eher frontal bis eher dialogisch variieren. Wie schon der eingehenden Auflistung zu entnehmen, gibt es gerade im Kunsthaus Bregenz eine Reihe von Führungsformaten. Die LehrerInnenführung steht etwa für die eher frontalere Wissensvermittlung. Der damalige Leiter der Vermittlung, Winfried Nußbaummüller, erläutert: „Da kommen die Lehrer, weil sie wissen, sie kriegen mindestens eine Stunde lang einfach eine sachlich fundierte Komprimation der Welt von Roni Horn“ (P18: 175).star (* 7 ) Die Dialogführung wiederum bricht die frontale Situation auf, indem sie von zwei Personen gemeinsam durchgeführt wird, die sich in einem Gespräch vor den BesucherInnen über ihre Sichtweisen austauschen.

Grundsätzliche Einigkeit herrscht bei allen VermittlerInnen, dass selbst die frontale Informationsvermittlung nicht in einer zu starren Form passieren sollte. Es gilt einen reinen Wissenstransfer, das heißt die Weitergabe von Wissen von einem autorisierten Sprecher an eine anonyme Masse, möglichst zu vermeiden. Diesen Wunsch implementierte etwa die 6. Berlin Biennale bereits beim Namen ihres primären Vermittlungsformats, das sich gemäß einer Teilhabe auf Augenhöhe „moderierte Rundgänge“ anstatt Führung nennt. Genau an diesem Punkt zeigt sich jedoch ein Widerspruch zu den Bedürfnissen der BesucherInnen, die gerade bei Vermittlungsaktivitäten den faktischen Input schätzen, um mehr über Entstehungskontexte der Werke und Intentionen der AusstellungsmacherInnen zu erfahren. Dass hier nicht nur Neugierde und Wissensdrang, sondern auch der Wunsch nach kompaktem und abgesichertem Wissen mitschwingt, kann nicht geleugnet werden – auch wenn eine kritische Kunstvermittlung das Bedürfnis nach eindeutigen „Wahrheiten“ gerade nicht bedienen will. Bei Ausstellungen, in denen der Kontext eine wichtige Rolle spielt und sich dieser aber über die rein wahrzunehmende Ebene nicht erschließt, kann das Modell des Wissenstransfers – entgegen der eher negativen und hegemonialen Konnotation im aktuellen Kunstvermittlungsdiskurs – dennoch ein ermächtigendes Moment darstellen.

star

Bachleitner, Reinhard/Aschauer, Wolfgang (2008): Die Vernissage als soziales Phänomen. In: Bachleitner, Reinhard/Weichbold, Martin (Hg.): Kunst – Kultur – Öffentlichkeit. Salzburg und die zeitgenössische Kunst. Wien: Profil, S. 120–135.

star

Duncan, Carol (2001): Civilizing rituals. Inside public art museums. London/New York: Routledge.

star

Hein, George E. (1998): Learning in the museum. London/New York: Routledge.

star

Korff, Gottfried (2005): Betörung durch Reflexion. Sechs um Exkurse ergänzte Bemerkungen zur epistemischen Anordnung von Dingen, in: Heesen, Anke/Lutz, Petra (Hg.): Dingwelten. Das Museum als Erkenntnisort. Köln/Weimar/Wien: Böhlau, S. 89–107.

star

Maset, Pierangelo (2006): Fortsetzung Kunstvermittlung, in: Maset, Pierangelo/Reuter, Rebbekka/Steffel, Hagen (Hg.): Corporate Difference. Formate der Kunstvermittlung. Lüneburg: edition HYDE, S. 11–24.

star

Mörsch, Carmen (2009): Am Kreuzungspunkt von vier Diskursen: Die documenta 12 Vermittlung zwischen Affirmation, Reproduktion, Dekonstruktion und Transformation, in: Mörsch, Carmen/Forschungsteam der documenta 12 Vermittlung (Hg.): Kunstvermittlung 2. Zwischen kritischer Praxis und Dienstleistung auf der documenta 12. Ergebnisse eines Forschungsprojektes. Zürich: diaphanes, S. 9–33.

star

P18: ExpertInneninterview mit Winfried Nußbaummüller und Kirsten Helfrich, Kunstvermittlung Kunsthaus Bregenz, am 2. Juni 2010.

star

P95: ExpertInneninterview mit Hemma Schmutz, Direktorin Salzburger Kunstverein, am 3. Dezember 2010.

star

P97: ExpertInneninterview mit Susanne Krausender, Besucherinformation Salzburger Kunstverein, am 7. Dezember 2010.

star

Raab, Jürgen/Soeffner, Hans-Georg (2005): Körperlichkeit in Interaktionsbeziehungen. In: Schroer, Markus (Hg.): Soziologie des Körpers. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 166–188.

star

Treinen, Heiner (1996): Ausstellungen und Kommunikationstheorie. In: Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland (Hg.): Museen und ihre Besucher. Herausforderungen in der Zukunft. Berlin: Argon, S. 60–71.

star

Vergo, Peter (1989): The Reticent Object, in: Vergo, Peter (Hg.): The new museology. London: Reaktion Books, S. 41–59.

star

Wright, Philip (1989): The Quality of Visitors’ Experiences in Art Museums. In: Vergo, Peter (Hg.): The new museology. London: Reaktion Books, S. 119–148.

Luise Reitstätter ( 2013): Verstehen Sie Kunst?. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 03 , https://www.p-art-icipate.net/verstehen-sie-kunst/