Einige Hinweise zur neueren Entwicklungen
In den Arbeiten von Bourdieu findet man politische Argumente dafür, dass eine Vermittlung ästhetischer Kompetenzen von Bedeutung ist. Es gibt jedoch auch eine Reihe pädagogischer Gründe, weswegen ein anregungsreiches ästhetisches Milieu – ein umfassenderes Angebot, ästhetische Erfahrungen zu machen und eine entsprechende Souveränität zu entwickeln – sinnvoll ist. So entdeckt man in den letzten Jahren in der Erziehungswissenschaft die alte Erkenntnis neu, dass der lernende Mensch in seinen Lernprozessen nicht nur mit seinem Gehirn aktiv wird, sondern auch der gesamte Körper bei Prozessen des Lernens involviert ist. Im Zuge einer pädagogischen Rückeroberung des Lernbegriffs – lange Zeit war das Thema Lernen vor allen Dingen in den Händen von Lernpsychologen/innen – spricht man daher von performativem Lernen und von leiblichem Lernen (Göhlich u. a. 2007). (*15) Auch aktuelle Persönlichkeitstheorien unterstützen eine verstärkte ästhetische Praxis, gerade bei Heranwachsenden. Denn inzwischen gibt es immer zahlreicher werdende Studien, die zeigen, dass Aspekte der Selbstwirksamkeit gerade in einer solchen ästhetischen Praxis eine wichtige Rolle spielen (vgl. etwa Lohwasser 2017).
(*20) Im Hinblick auf Heranwachsende kann man die auf die Schule bezogene Erziehungswissenschaft auf der einen Seite und die außerschulische Jugendarbeit betreffenden (sozial-)pädagogischen Ansätze auf der anderen Seite unterscheiden.
In der außerschulischen Jugendarbeit ist in Deutschland kulturelle Bildung seit Langem ein anerkanntes Feld und wurde schon früh in den entsprechenden Fördertöpfen auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene verankert. Daher konnte sich auch eine leistungsfähige und vielfältige Infrastruktur entwickeln. Auch in der Früherziehung bezweifelt niemand, dass ein spielerisch-ästhetischer Umgang notwendig ist für ein gelingendes Aufwachsen der Kinder. In der Schule wurde dieser Gedanke insofern respektiert, als in nahezu allen Ländern Musik, bildende Kunst und zum großen Teil auch Theater in den Lehrplänen verankert ist, allerdings wird immer wieder bemängelt, dass diese Fächer entweder zu oft ausfallen oder fachfremd unterrichtet werden (Bamford 2010). (*2)
Eine neue Entwicklung besteht darin, die ästhetische Dimension im Rahmen eines entsprechenden Schulentwicklungsprozesses („kulturelle Schulentwicklung“; vgl. Fuchs 2017) (*13) die Schule insgesamt als ästhetischen Erfahrungsraum zu gestalten. Dies entspricht insofern dem Ziel einer Kultur für alle, als die Schule die einzige Einrichtung ist, mit der man alle Kinder und Jugendliche erreichen kann. Inzwischen liegen national und international zahlreiche Erfahrungen vor, dass solche Schulen für die Schülerinnen und Schüler und die Lehrerinnen und Lehrer in positiver Weise wirksam sind. Es gibt auch Belege dafür, dass solche Schulen auch im Rahmen der PISA-Untersuchungen gut abschneiden (entsprechende Hinweise finden sich in Fuchs 2017).
(*13)
Unterstützt werden solche Ansätze in Deutschland durch ein neues kommunalpolitisches Konzept, nämlich die Einführung einer „kommunalen Bildungslandschaft“, bei der es darum geht, dass alle Einrichtungen in der Kommune, die mit Kindern und Jugendlichen zu tun haben, systematisch und langfristig zusammenarbeiten. Im Hinblick auf eine Kulturschule (Fuchs 2012 (*12) und 2017)
(*13) hat dies den Vorteil, dass die Schule – gerade als Ganztagsschule – auf diese Weise leichter Kooperationspartner/innen im kulturellen Bereich findet.
Max Fuchs ( 2018): Kultur für alle: Wozu?. Zur Karriere einer kulturpolitischen Leitformel . In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 09 , https://www.p-art-icipate.net/kultur-fuer-alle-wozu/