Marktstrategie: Kunst!

Alles Kunst, oder was? Der Versuch eines Resümees

Künstlerischen Strategien finden Einzug in Werbung und Vermarktung, werden kopiert, adaptiert und kommerzialisiert. Und umgekehrt. Denn (auch) Kunstschaffende sind gezwungen, ökonomisch erfolgreich am Markt zu agieren. Und doch so die persönliche Auffassung der Autorin gibt es die Unterschiede, die eine (rein) künstlerische Herangehensweise von ihrem (rein) marktstrategischen Pendant abheben.

Dass Exklusivität als Prinzip der Kunst immanent ist und die damit verbundenen Marketingmechanismen aus der Kunst bzw. auch dem Kunstmarkt heraus als Marketingstrategie evident werden, zeigt die enge Koppelung und Reziprozität von marktstrategischer Positionierung und künstlerischer Produktionsfaktoren. Auch das Prinzip der Prominenz zeigt eine Entwicklung, die nicht in einer Eindimensionalität von Kunst zu Wirtschaft oder umgekehrt – zu betrachten ist. Dass Stars als WerbeträgerInnen fungieren, ist Bestandteil der Werbung selbst, denn bereits im 19. Jahrhundert galten z.B. Graf Bismarck als Leitfigur für die Bekleidungsfirma „Moses und Sohn“ oder Marie Antoinette als Vorzeigekonsumentin des französischen Champagners “Heidsick“ (vgl. Albus / Kriegeskorte 1999: 24).star (* 38 ) Doch parallel ist gerade das Konstrukt des Stars als Imageträger fortlaufenden Veränderungen und Adaptionen unterworfen, sodass, wenn KünstlerInnen selbst als „Star“ auftreten, die Frage nach der Aneignung, aber auch nach dem Spiel mit prominenten Identitätskonstruktionen und deren Dekonstruktion zu untersuchen ist.

Aktuell zeigt sich parallel auch eine verstärkte Tendenz, die Kunst selbst als Event zu vermarkten bzw. sich Techniken der Markenkommunikation anzueignen. Am Beispiel Christo was „einmal subversiv begonnen hat“ , ist „längst in der Eventkultur angekommen“ (Ullrich 2007: 57)star (* 32 ) beschreibt Wolfgang Ullrich, wie Strategien, die einst aus einer künstlerischen Idee entstanden sind zu (massen-)markttauglichen Events der Kunst selbst „verkommen“. Wenn KünstlerInnen wie etwa eben Christo, aber auch Pipilotti Rist oder Maurizio Cattelan sich Regeln der Eventkultur aneignen, sieht Ullrich darin, neben der massentauglichen Vermarktung zusätzlich einen Beitrag „zur inszenierten Erlebnisvielfalt des täglichen Lebens und zur Ausprägung subtiler gesellschaftlicher Codes“. (Ebenda: 60)star (* 32 )

Der Fokus der Analyse künstlerischer Strategien setzte zur Beantwortung der eingangs gestellten Fragen in den 60er Jahren an, da diese Epoche in ihrem künstlerische Handeln bewusst künstlerische wie auch gesellschaftliche Trennungen aufzuheben suchte: Prinzipien der Provokation, der Inszenierung aber auch der Multiplikation und Prominenz finden sich als künstlerische Strategien in Aktionen von Kunstschaffenden einer Generation, die bewusst neue Wege und Verfahren zum Herstellen von Öffentlichkeit als (dezidierte) Aufgabe der Kunst gesucht hat. Der Kontext, in dem somit z.B. die Wiener Aktionisten ihre eigene Definition von Kunst in ihrem Schaffen umsetzten und neue Wege der künstlerischen Darstellung und Darbietung suchten, bestimmte somit maßgeblich die Mittel und Verfahren. Die Intention war jedoch vor allem in einem gesellschaftskritischen Engagement begründet.

Neue Maßstäbe in der Vermarktung von Produkten waren hingegen die Intention Toscanis: „Werbung stand ursprünglich im Dienst eines Produktes. Unterdessen ist sie aber wichtiger geworden als das Produkt selbst. Also kann sie dem Produkt nicht mehr dienen. Das Produkt muss der Kommunikation dienen. Werbung ist heute das wichtigste Produkt, das eine Firma herstellen kann.“ (Toscani 1996: 134)star (* 6 ) In einem Interview, das im Katalog zu „Radical Advertising“ im NRW-Forum abgedruckt ist, offenbart er mit dieser Umkehrung des Werbeverständnisses die wahren Motive des Unternehmens und seiner fotografischen Tätigkeit: „Den einzigen Job, den ich für Benetton zu tun hatte, war, sie reich zu machen. Ihr Kunde wird nicht einmal fragen, ob sie dafür Kinder töten, Mädchen vergewaltigen oder Blut vergießen.“ (Hoffmann 2008: o.S.)star (* 33 )

Toscani selbst könnte daher – in der Retrospektive und nachdem er sein Honorar nicht mehr von Benetton bekommt – dem Medientheoretiker Siegried J. Schmidt wohl nur zustimmen, wenn dieser die strategische Ausrichtung von Werbung in einer „Zustimmungs- und Handlungsbereitschaft“ verortet, die „weder darauf abzielt, sozial verbindliche Wirklichkeitsentwürfe zu schaffen (wie der Journalismus) oder solche verbindlichen Entwürfe in ihrer Fragilität zu entlarven und durch Alternativen herauszufordern sucht (wie etwa Literatur oder Kunst).“ (Schmidt 2004: 96) star (* 34 )Dass daher (vor allem) die Kunst – im Gegensatz zu Werbung, die stets auf ökonomisches Handeln und kommerziellen Erfolg ausgerichtet ist – eine gesellschaftskritische Rolle einnehmen kann, sieht der Medientheoretiker Siegfried J. Schmidt in „der Herausforderung von Alternativen“ (ebenda: 97)star (* 34 ) begründet.

Dass sich Kunst dabei der Spaßgesellschaft anschließt, sich Handlungsmuster und Techniken dieser aneignet, sieht Ullrich im Verlangen der Kunstschaffenden, „die Grenze zwischen Kunst und Nicht-Kunst“ nicht mehr streng bewachen zu müssen, begründet. Mit Verschwinden des allmächtigen Künstlertypus, den die „Aura des Revolutionärs umgibt“ haben dabei „Ironie, Humor und Gimmicks ebenso ihren Einzug in die Kunst gehalten wie Techniken und Strategien der Unterhaltungsindustrie und des Lifestyles“. (Ullrich 2007: 56)star (* 32 ) Dem Kaprowschen Anspruch, die Grenze zwischen Kunst und Leben so fließend wie möglich zu gestalten, dürfte man damit mehr als gerecht werden.

Ob die Kommerzialisierung der Kunst die Kunst selbst „in den Abgrund führt“ (Adorno/Tiedemann 1974: 21)star (* 35 ) wie Adorno prophezeit hat, oder ob sich die Kunst damit (endlich und endgültig) von ihrer „Wahnvorstellung“ des Genius löst, wie die Künstler der 60er Jahre forderten, ist differenziert – und wohl verstärkt als persönliche Urteil zu betrachten: Denn dass „in den 60er Jahren der Glaube an das utopische Potential und an die Wirkungsmacht der bildende Künste aufgegeben wird“ (Bonnet 2004: 34)star (* 36 ) und dennoch gerade diese – aus diesem Glauben geborene Strategie der Inszenierung (als Aufhebung von Grenzen) antizipativ die Marketingmaßnahmen der 90er Jahre „voraussagte“, entspricht zwar einerseits wiederum der Groysschen Innovationslogik. Andererseits manifestiert sich gerade in der Inszenierungsstrategie der Bellsche Gedanken eines „Stosstrupps des Fortschritts“  (Bell 1991: 50),star (* 37 ) der die Kunst als Vorreiterin einer auf Differenzierung ausgerichteten „Autonomie der Kultur“ definiert, die in die Lebenszusammenhänge selbst eingreift. Bell sieht daher „zwischen der Kunst und dem Leben“ „keinen Unterschied mehr“. (Ebenda: 70)star (* 37)

Alles, „was in der Kunst gestattet ist, ist auch im Leben gestattet“ (ebenda).star (* 37 ) Anders formuliert: Das, was in der Kunst als (wirksame) Strategie funktioniert, funktioniert auch in der Markenpolitik. Jedoch ist es die strategische Zielsetzung, die oft den feinen, aber wesentlichen Unterschied bedeutet.

 

star

Paris, Rainer (1998): Stachel und Speer. Machtstudien. Frankfurt: Suhrkamp.

star

Deissner, David (2008): Skandale, Sex und Langeweile. Online Artikel vom 13. April 2008. In: Die Welt Online. http://www.welt.de/wams_print/article1896444/Skandale_Sex_und_Langeweile.html

star

Weibel, Peter (2006): Re-Präsentation des Verdrängten. In: Trajekte. Zeitschrift des Zentrums für Literatur- und Kulturforschung Berlin. Nr. 13., September 20016. S.29–35.

star

Klocker, Hubert (Hg.) (1989): Wiener Aktionismus 1960 -197. Klagenfurt: Ritter Verlag.

star

Mantle, Jonathan (2000): Vom Familienbetrieb zum Weltimperium. München: Heyne.

star

Toscani, Oliviero (1996): Die Werbung ist ein lächelndes Aas. Mannheim.

star

Eipeldauer, Heike (2005): Succès de scandale. Gesten der Provokation im Windschatten der Avantgarde. In: Kunsthalle Wien/BA-CA Kunstforum et al. (Hg.): Superstars. Von Warhol bis Madonna. Das Prinzip der Prominenz. Wien: Hatje Cantz Verlag. S. 65-72

star

Ursprung, Philip (2003): Grenzen der Kunst. Allan Kaprow und das Happening. Robert Smith und die Land Art. München: Schreiber.

star

Seite „Einkaufserlebnis“. In: Website der Swarovski Kristallwelten. Swarovski AG, Triesen 2008. http://kristallwelten.swarovski.com/Content.Node/besucherinfos/einkaufserlebnis.php; Zugriff: Mai 2008 .

star

Kaprow Allan (2003): Assemblage, Environments & Happenings 1959-1965. In: Harrison, Charles/Wood, Paul (Hg.): Kunsttheorie im 20. Jahrhundert. Künstlerschriften, Kunstkritik, Kunstphilosophie, Manifeste, Statements, Interviews. Band II 1940-1991. Hatje Cantz. S. 862-868

star

GWW – Gesamtverband der Werbeartikel-Wirtschaft (2005): Werbewirkung von Werbeartikeln. URL: http://www.bwg-verband.de/index.php?option=com_jotloader&section=files&task=download&cid=20_efd294379e6ad77314c01d039c2b1070&Itemid=57. Zugriff: November 2008

star

Schellmann, Jörg (Hg.) (1997): Joseph Beuys. Die Multiples. Schirmer/Mosel.

star

Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland (2008): Unruhige Jahre: Kunst als Provokation. In: Website des Deutsch-Historischen Museum Berlin. http://www.hdg.de/lemo/html/DasGeteilteDeutschland/KontinuitaetUndWandel/UnruhigeJahre/kunstAlsProvokation.html; Zugriff: Oktober 2008

star

Knigge, Andreas C. (2008): Möge die Macht mit ihm sein. Online-Artikel (erschienen in der Süddeutschen Zeitung am 11./12. Mai 2002). In: Website von Andreas C. Knigge. http://www.ac-knigge.de/archiv/star-wars/; Zugriff: Oktober 2008

star

Hillenbrand, Tom (2005): „Star-Wars” Ramsch: Diät-Yoda und Kartoffel-Vader. Online-Artikel vom 19.05.2005. In: Spiegel-Online. http://www.spiegel.de/kultur/kino/0,1518,356247,00.html; Zugriff: Oktober 2008.

star

Grewe, Meike/Hart, Pia (2005): Brennpunkt: Starwars. Online-Artikel vom 23.05.2005. In: Online-Focus, Magazin 21/2005. http://www.focus.de/panorama/boulevard/brennpunkt-star-wars_aid_212580.html, Zugriff: Oktober 2008.

star

Kunstmuseum Bonn (2005): Joseph Beuys. Zeichen aus dem Braunraum – Auflagenobjekte und grafische Serien.

star

Cacic, Daniela (1999): Star- und Markenkonzepte im Vergleich. In: Ideereich – Website von Pr. Dr. Dieter Herbst. Abdruck der Hausarbeit von http://www.ideereich.de/DieterHerbst/th_mensch/concept.pdf; Zugriff: November 2007

star

Warhol, Andy (1995): Thirty Are Better Than One. Kapitel III: Die Einordnung. Online-Artikel in: Michael Lüthy Archiv 2007.URL: http://www.michaelluethy.de/scripts/andy-warhol-star-starportrait-marilyn-monroe/; Zugriff: November 2007

star

Franck, Georg (1998): Ökonomie der Aufmerksamkeit. Ein Entwurf. Wien: Hanser.

star

Bolz, Norbert (2003): Manuskript/Vortrag „Verführung – Über Einheit und Differenz von Kunst und Werbung“  am 7.4.2003 im OK-Centrum für Gegenwartskunst, Linz. In: Reklamebüro Linz: Speaking about Art 2002-2005. http://www.reklamebuero.at/art-media/img/verfuehrung_bolz.pdf, Zugriff: September 2008

star

von Taube, Dagmar (2007): Jeff Koons – „ Meine Arbeit ist weder ironisch noch kitschig“. Online-Interview vom 6. Oktober 2007. In: Die Welt Online. http://www.welt.de/lifestyle/article1238505/ Meine_Arbeit_ist_weder_ironisch_noch_kitschig.html; Zugriff: Februar 2008

star

Artefacts (2006): Svetlana Heger – In der Sprache der Mode. Ausstellung im Haus am Waldsee/Berlin vom 19. Januar 2006 bis 26. März 2006. http://www.artfacts.net/index.php/pageType/exhibitionInfo/exhibition/9298/lang/2; Zugriff: November 2008.

star

Krieger, Verena (2007): Was ist ein Künstler? Genie – Heilsbringer – Antikünstler. Köln: Deubner.

star

Blomberg, Katja (2005): Wie Kunstwerte entstehen. Der neue Markt der Kunst. Hamburg: Murmann.

star

Justus, Nele (2004): Lagerfeld und H&M: Massenhysterie um Designer-Schnäppchen. Online-Artikel vom 12.11. 2004. In: Der Stern-Online. http://www.stern.de/lifestyle/mode/:Lagerfeld-H&M-Massenhysterie-Designer-Schn%E4ppchen/532268.html; Zugriff: November 2008

star

Wirtschaftswoche (2004): Lagerfeld bringt H&M deutliches Umsatzplus. Online-Artikel vom 16.12.2004. In: Wiwo.de. Portal der Wirtschaftswoche.Economy.One.Gmbh. http://www.wiwo.de/unternehmer-maerkte/lagerfeld-bringt-h-m-deutliches-umsatzplus-371842/; Zugriff: Oktober 2008

star

Kröger, Michael (2004): Lagerfeld-Aktion von H&M: Letzte Chance auf dem Schwarzmarkt. Online-Artikel vom 14.11.2004. In: Spiegel-Online. http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,327818,00.html; Zugriff: Oktober 2008

star

netzeitung.de (2004): Lagerfeld-Mode nur einmal bei H&M. Online-Artikel vom 26.6.2004. In: Netzeitung.de .http://www.netzeitung.de/entertainment/style/292992.html; Zugriff: Oktober 2008

star

Casati, Rebecca (2005): Erste Klasse – Spartarif. Stella McCarthy schneidert für H&M. Online-Artikel vom 27.05.2005. In: Die Süddeutsche-Online.http://www.sueddeutsche.de/kultur/176/408950/text/; Zugriff: Oktober 2008

star

Horn, Rainer (2004): Lagerfeld sauer auf H&M. Online-Artikel vom 18.11.2004. In: Hamburger Abendblatt Online. http://www.abendblatt.de/daten/2004/11/18/365595.html; Zugriff: Oktober 2008

star

Ullrich, Wolfgang (2007): Tiefer hängen. Über den Umgang mit der Kunst. 4. Aufl., Berlin: Wagenbach.

star

Hoffmanns, Christiane (2008): Tabubruch als Geschäftsidee. Online-Artikel vom 30. März 2008. In: Axel Springer AG: Die Welt Online. http://www.welt.de/wams_print/article1852297/Tabubruch_als_Geschaeftsidee.html; Zugriff: Mai 2008

star

Schmidt, Siegfried J. (2004): Zwiespältige Begierden. Aspekte der Medienkultur. Freiburg im Breisgau: Rombach.

star

Adorno, Gretel/Tiedemann, Rolf (Hg.) (1974):  Theodor W. Adorno. 2. Aufl. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.

star

Bonnet, Anne-Marie (2004): Kunst der Moderne. Kunst der Gegenwart. Köln: Deubner.

star

Bell, Daniel (1991): Die kulturellen Widersprüche des Kapitalismus. Frankfurt a.M.: Campus Verlag.

star

Albus, Volker/Kriegeskorte, Michael (1999): Kauf mich! Prominente als Message und Markenartikel. Köln: DuMont.

star

Mikunda, Christian: Marketing spüren – Willkommen am Dritten Ort. Frankfurt/Wien: Ueberreuter 2002.

star

Wikipedia (2008): Werbeartikel. http://de.wikipedia.org/wiki/Werbeartikel; Zugriff: August 2008

star

Kunsthalle Wien/BA-CA Kunstforum et al. (Hg.) (2005): Superstars. Von Warhol bis Madonna. Das Prinzip der Prominenz. Wien: Hatje Cantz Verlag.

AIDA = Attention – Interest – Desire – Action

Siglinde Lang ( 2013): Marktstrategie: Kunst!. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 03 , https://www.p-art-icipate.net/marktstrategiekunst/