„Eigentlich eine einfache Antwort: ‚Alle’ ist ‚alle’“

Monika Schmerold im Gespräch mit Dilara Akarçeşme über Enthinderung im Kunst- und Kulturbereich als Menschenrechtsaufgabe

Vielleicht können Sie uns ein paar Beispiele nennen? Führen Sie uns quasi vom Parkplatz bis zum Strohhalm.

Wahnsinn, so lange haben wir, glaube ich, nicht Zeit. Es muss an die Toiletten gedacht werden, eine reicht allerdings nicht aus, es sollte mehrere geben. Dixi-Klos sind keine gute Alternative, außerdem gibt es ganz wenige barrierefreie. Selbst diese können nicht alle benutzen. Mit den Veranstaltungsorten wird es eng in Salzburg, wir haben kaum welche. Wenn wir von knack:punkt aus etwas anbieten wollen, machen wir es meistens an der FH. Dort gibt es zumindest vier barrierefreie WCs im Haus verteilt und das Gelände ist gut erreichbar – die öffentliche Anbindung ist wichtig, weil gerade Menschen mit Behinderung oft keinen Führerschein und kein Auto haben. Dann muss natürlich innen alles barrierefrei sein. Es muss in Leichter Sprache ausgeschildert sein. Eine Induktionsanlage ist auch eine wichtige Grundlage. Im Vorfeld müssen die Veranstaltungsfolder entsprechend gekennzeichnet sein, also was alles angeboten wird. Auch Gebärdendolmetschen, dass man sich informieren und anmelden kann, wenn man einen braucht und auch einen bekommt. Es gibt in Wien oft Veranstaltungen, die automatisch Gebärdendolmetscher*innen dabeihaben. Da stoßen wir aber auch an Grenzen, weil es nur sehr wenige Gebärdendolmetscher*innen gibt. Das müsste mehr beworben werden und es müssten mehr Leute ausgebildet werden. Je nachdem welche Veranstaltung es ist, braucht es eine Audiodeskription. Bei der Bestuhlung muss man sich überlegen, dass die Rollstuhlfahrer*innen in die Reihen integriert sind. Es muss ausgeschildert sein, wo das induktive Hörfeld ist, wenn es eine portable Induktionsanlage ist, die nur für die Veranstaltung eingebaut wird. Wenn es Stehtische gibt, muss es auch niedrige Tische geben mit Stühlen für Begleitpersonen oder Assistent*innen. Wenn es ein Buffet gibt, muss es so niedrig sein, dass ich mich selbst hinbewegen kann und dass es unterfahrbar ist. Es muss vegane Speisen geben, die breiförmig oder leicht kaubar sind. Da kommt es immer auf die Zielgruppe an, denn natürlich gibt es immer einen finanziellen Rahmen. Das ist nicht immer so einfach, aber Gedanken im Vorfeld sind wichtig. Ich entwickle selbst gerade eine barrierefreie Veranstaltungsbroschüre. Da gibt es eine Checkliste, dann kann nicht so einfach etwas vergessen werden ‑ nur absichtlich (lacht). Wenn es wie so oft Parkplätze in den Wiesen gibt, dann soll der barrierefreie nicht in der Wiese sein, ein Horror beim Aussteigen. Gerade Rollstuhlfahrer*innen können oft noch selbst aussteigen und stehen, aber man kann sich nicht bewegen in einer Wiese. Es muss wirklich eine ebene Fläche sein. Es muss auch in Leichter Sprache gesprochen werden. Auf alle Fälle müssen bei der Zielgruppe von Menschen mit Lernschwierigkeiten die Ampelkarten ausgelegt sein. Die können sich die Menschen nehmen und damit aufzeigen, wenn sie etwas nicht verstanden haben. Das muss vorab von der Moderation genannt werden, damit sich die anderen auskennen. Wir sind jetzt in der Phase, in der es auch um eine Sensibilisierung der breiten Bevölkerung geht. Die sollen mitbekommen, dass es Menschen mit Lernschwierigkeiten gibt, die Ampelkarten haben und wenn sie etwas nicht verstanden haben, erklärt die Moderation das noch einmal. Weiters muss klar sein, wer bei Problemen die Ansprechperson ist.

Haben Sie positive Beispiele, wo Sie sagen, dass sie noch am ehesten dran sind? In Salzburg haben Sie gesagt „Das Kino“…

Ich habe in Schottland erlebt, dass die Gesellschaft viel selbstverständlicher mit dem Thema umgeht. Sie sind viel barrierefreier sind als wir. Das ist so angenehm, dass man in jedem abgelegenen Dorf ein barrierefreies WC findet, das auch nutzbar ist und wo keine Putzwagen stehen. Dort kann man wirklich bei jedem Museum davon ausgehen, dass es barrierefrei ist. Das ist bei uns noch nicht selbstverständlich. Wir haben uns das Schiff von Queen Elizabeth, die Britannia, angeschaut. Das liegt als Museum im Trockendock. Das ganze Schiff war barrierefrei: Man hat mich automatisch beim Eingang gefragt, ob ich einen Audioguide zum Umhängen haben möchte. Ich konnte mit dem Rollstuhl in jede Ecke kommen. Es gab sogar eine barrierefreie Toilette. Das haben sie ganz toll mit einer Falttür gelöst, weil die Gänge natürlich nicht so breit sind. Die haben das wirklich so zugänglich gemacht, dass in jedem Stockwerk von außen die Anbindung mit einer Säule und einem Aufzug war. So konnte man sich wirklich jede Etage des Schiffs anschauen. Ich habe auch den Maschinenraum gesehen.

Es gibt in Salzburg kaum Hotels, die barrierefreie Zimmer anbieten. Auch das ist wichtig für Kunst und Kultur. Es gibt meines Wissens nur das Motel One. Bei den Zimmern kann man davon ausgehen, dass sie wirklich barrierefrei sind.

Dilara Akarçeşme, Monika Schmerold ( 2019): „Eigentlich eine einfache Antwort: ‚Alle’ ist ‚alle’“. Monika Schmerold im Gespräch mit Dilara Akarçeşme über Enthinderung im Kunst- und Kulturbereich als Menschenrechtsaufgabe. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 10 , https://www.p-art-icipate.net/eigentlich-eine-einfache-antwort-alle-ist-alle/