„Ich sehe da die Möglichkeit der Buntheit …“

Conny Felice im Gespräch mit Persson Perry Baumgartinger.

Mich interessiert bei unserem Forschungsprojekt die HOSI unter anderem deswegen, weil ich glaube, dass ihr Kulturproduktion macht: Ihr macht Flyer, ihr macht eine Homepage, ihr macht Workshops und verändert damit eben die (Unternehmens- und Schulhaus-)Kultur, die Gesellschaft allgemein. Dafür braucht es auch Geld und Förderungen. Welche Empfehlungen oder Forderungen habt ihr an die Kulturpolitik des Landes Salzburg? 

Jeder Euro, den man in präventive Arbeit investiert, gerade im Gesundheits- und Sozialbereich, erspart acht Euro an Folgekosten. Ich sehe da draußen gerade einen Skaterplatz. Wenn da draußen ein Skaterplatz zur Verfügung gestellt wird, dann hat das Einfluss darauf, dass weniger Vandalismus in dieser Ortschaft sein wird, weil die Möglichkeiten andere sind. Es ist einfach eine finanzielle Sache. Das Land oder überhaupt politische Entscheidungsträger*innen sollten bewusst mit diesem Verhältnis 1:8 arbeiten. Sie werden die Rechnung ja irgendwann aus irgendeinem Topf bezahlen müssen, ob das nun Psychotherapien, Suizide oder Suizidversuche sind. Die gesellschaftlichen Kosten sind so wahnsinnig hoch. Wir sind überzeugt, dass da im queeren Bereich viel davon verursacht wird, weil die Systeme, in denen sich queere Menschen bewegen, zu wenig Spielraum für sie lassen. Der beste Hebel, um da vorzubeugen, ist Bildung  nicht Strafe hintennach, sondern präventive Bildung. Ich würde mir wünschen, dass es eine Fortbildung zu LGBTIQ+ für Schulleiter*innen gibt und für das Lehrpersonal. Was nützt mir eine Klasse, die zwar vier Jahre im Zwangssystem Schule verhaftet ist, aber danach draußen ist? Wenn ich mit einer Lehrperson arbeite, ist die möglicherweise 20 oder 30 Jahre an der Schule wirksam und kann einen sicheren Raum für alle Schüler*innen schaffen. Da ist der Hebel, der finanziert sein kann und sollte. Es kann nicht sein, dass ein paar persönlich Betroffene und Engagierte diesen großen gesellschaftlichen Auftrag stemmen.

Du hast ja gesagt, dass du bei Kunst- und Kulturveranstaltungen queere Leute als Teilnehmende wahrnimmst. Sind die aber auch im Programm vertreten? Fehlt dir da etwas oder findest du, dass das eigentlich ok ist, wenn queer nicht überall ist?

Ich denke, es könnte in Salzburg mehr sein. Ich merke, dass gerade im Kunstbereich häufig auch die Nachfrage gar nicht vorhanden ist. Ein paar junge Menschen aus alternativen Ecken kenne ich ja doch. Bei denen merke ich schon auch, dass Dinge viel kleiner oder gar nicht stattfinden, wenn die irgendetwas auf die Beine stellen wollen, weil zu wenig Interessierte dabei sind. Da kann man sagen, dass zu wenig Werbung betrieben worden ist. Wenn du mich fragen würdest, was wichtiger wäre, dann würde ich definitiv sagen, dass die Bildungsarbeit wichtiger ist als die kulturelle Arbeit. Durch die Bildungsarbeit und dieses Öffnen der Fenster oben im Kopf wird auch ganz viel kulturell möglich.

Weil sich die Kultur ändert?

Weil sich die Kultur ändert, ja, Dinge zulässt und auch interessanter macht.

Was sind für dich die Unterschiede in Bezug auf LGBTIQ+ am Land und in der Stadt? Was sind da deine Erfahrungen, wenn ihr Workshops für Schule der Vielfalt oder Vielfalt im Beruf anbietet? 

Am Land werden unsere Workshops oder die Informationen aus dem Workshop wie ein Schwamm aufgesaugt, es gibt sehr wenige Angebote zu LGBTIQ. Im Sozialbereich outet sich manchmal ein*e Klient*in, und die Mitarbeiter*innen wissen nicht, wie sie weitervermitteln sollen. In der Stadt gibt es ein breiteres Angebot. Das ist der Unterschied. Es ist schwieriger am Land etwas aufzubauen, einen Workshop zu bekommen. Es hängt eben auch von einzelnen Personen ab, die die Initiative ergreifen und die HOSI holen.

Weil das auch Sichtbarkeit bedeutet?

Genau. Es reichen ja allein schon Aufkleber oder eine Regenbogenfahne, zum Beispiel bei einer sozialen Institution oder einer Beratungsstelle, oder dass sie ein paar Flyer von uns aufliegen haben. Allein das ist ein Statement und bedeutet Sichtbarkeit.

Gibt es noch etwas in Bezug auf kulturelle Teilhabe in Salzburg, was aus HOSI-Sicht oder deiner Sicht wichtig ist?

Mir wäre ein Auftrag an die Politik wichtig, einen Paradigmenwechsel im Denken zu ermöglichen, Queerness nicht als Problem zu sehen und dass sie schon wieder etwas brauchen, sondern zu erkennen, welches kreative und soziale Potenzial im positiven Sinn da drinsteckt. Eigentlich muss man das nutzen. Das ist ein Geschenk. Wenn da drüben ein gemähter Rasen ist und am Rand sind diese bunten Blumen, dann ist diese Buntheit am Rand doch zehnmal interessanter als der gemähte Rasen. Dafür ist aber ein Wechsel im Denken notwendig. Das wäre für mich das Mascherl oben drauf: wenn es uns gelingt, das als Potenzial und als Ressource zu sehen, als Vielfalt, als Humus der Gesellschaft.

Vielen Dank für das Interview. 

Persson Perry Baumgartinger, Conny Felice ( 2019): „Ich sehe da die Möglichkeit der Buntheit …“. Conny Felice im Gespräch mit Persson Perry Baumgartinger.. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 10 , https://www.p-art-icipate.net/ich-sehe-da-die-moeglichkeit-der-buntheit/