„Man muss mit einer großen Leidenschaft und einem gewissen Sendungsbewusstsein arbeiten.“

Elisabeth Schneider im Gespräch mit Persson Perry Baumgartinger über regionale Kulturarbeit in Radstadt, Land Salzburg

Würdest du auch sagen, dass es in dieser Beziehung zum Bürgermeister einen Unterschied gibt? Glaubst du, dass man in der Stadt auch mehr Möglichkeiten ohne diese direkte Verbindung hat?

Klar, denn hier trifft man sich mit dem Bürgermeister. Ich glaube, das ist auch eine Stärke der Arbeit am Land. Man ist sich im Alltag wesentlich näher. Wir können uns als Kulturverein nicht ausschließlich auf Belange beschränken, die nur in den eigenen Wänden stattfinden. Wir haben in den letzten Jahren beispielsweise eine Begegnungszone in der Stadt gemacht. Da sind wir involviert und haben eine ganz andere Rolle. Man hat auch eine gewisse öffentliche Verpflichtung.

Ein anderer wichtiger Punkt für kulturelle Teilhabe ist Barrierefreiheit. Das ist vor 20 Jahren bei der Errichtung dieses Gebäudes verabsäumt worden. Von Seiten der öffentlichen Fördergeber Land und Bund wird Druck gemacht, dass es einen barrierefreien Zugang ins Haus gibt, allerdings liegt das nicht in unserer Hand. Es ist nicht unser Haus. Wir können das also überhaupt nicht steuern. Gott sei Dank haben wir einen Bürgermeister, der das versteht, und es ist ihm auch wichtig. Es ist ein Gebäude der Stadtgemeinde und es ist im Prinzip selbstverständlich, dass es öffentlich barrierefrei zugänglich sein muss. Bei diesen Baumaßnahmen kommen unglaubliche Kosten zusammen. Nach langwierigen Verhandlungen bin ich froh, wenn wir den Personenlift im Jänner bekommen.

Es geht einfach nicht, dass kulturelle Teilhabe deswegen nicht möglich ist. Beispielsweise habe ich im Rahmen des Filmfestivals eine interessante Erfahrung gemacht. Wir zeigen den Film MABACHER #ungebrochen, das Porträt eines jungen Mannes im Rollstuhl. Ich habe ihn zur Filmpräsentation eingeladen und er wäre gerne gekommen. Allerdings haben jetzt im November nur zwei Gasthöfe geöffnet, die beide nicht barrierefrei sind. Es ist also nicht möglich, dass jemand dieses Festival besucht, der im Rollstuhl sitzt. Das ist eine Katastrophe, besonders wenn man sich vorstellt, dass Radstadt ein Tourismusort ist. Ich finde, in Zukunft muss Teil der Überlegung für den internen Plan unserer Wirte sein, dass immer ein barrierefreier Gasthof geöffnet ist. Diese Erfahrung habe ich schon an das Tourismusbüro weitergegeben und werde das Thema auch weiterverfolgen.

An welcher Stelle müsste der Druck entstehen oder eine Umsetzung stattfinden, um euch zu unterstützen?

Natürlich ist ein gewisser Druck hilfreich, wenn ich zum Beispiel zum Finanzausschuss geladen werde. Dort kann ich sagen: „Liebe Stadträte! Wir bekommen Probleme mit unserer Förderung, wenn es da keinen barrierefreien Zugang gibt. Bitte nehmt das Gesetz ernst!“ Es ist bereits seit 2016 Gesetz, dass öffentliche Gebäude barrierefrei sein müssen. Es wäre eine Katastrophe, wenn es hieße: „Wenn ihr 2019 nicht barrierefrei seid, wird die Förderung gestrichen.“ Wir müssen uns um kreative Lösungen bemühen. Wir haben eine Kooperation mit dem Roten Kreuz, die wir immer verständigen können, wenn Bedarf besteht. Das ist natürlich keine optimale Lösung, sondern nur ein alternatives Angebot, bis der Lift endlich da ist.

Wie hat sich das im Laufe der Zeit verändert? Du machst das ja doch schon längere Zeit und hast ja offensichtlich Strategien, wie du mit Ausschlüssen umgehst.

Ich kann mich gut erinnern, dass ich vor zehn Jahren einen Film programmiert hatte, der Beeinträchtigung thematisierte. Den habe ich, ohne zu denken, im ersten Stock gezeigt. Erst als ein Besucher kam, der im Rollstuhl war, bin ich fast in Ohnmacht gefallen. Damals hat noch niemand gesagt: „Hallo, was denkst du dir eigentlich?“, weder der Betroffene noch sonst irgendwer. Das war eben ein bisschen blöd, aber der Tenor war damals ein anderer: „Das schaffen wir schon, dass wir den Besucher in den ersten Stock bringen.“ Jetzt muss man es mitbedenken und wenn man das außer Acht lässt, dann ist die Sensibilisierung schon so weit fortgeschritten, dass das einfach nicht mehr akzeptiert ist. Ich finde es richtig und wichtig, dass sich das dahingehend normalisiert. Beispielsweise haben wir im Rahmen des Festivals immer eine Vorstellung der Lebenshilfe am Donnerstagnachmittag. Wir haben eine inklusive Kinovorführung, die ganz normal im Programm steht, aber die Einrichtungen der Lebenshilfe werden explizit angesprochen und eingeladen. Das ist mittlerweile eine traditionelle Veranstaltung. Es kommen Einrichtungen aus Zell am See, Schwarzach, Bischofshofen, Salzburg, Tamsweg und Radstadt. Dann sitzen dort 60 Gäste. Wenn sie da sind, sage ich immer, dass wir internationalen Besuch haben. Es werden alle vorgestellt und dann sind mindestens noch 25 andere Besucher drin. Es ist jedes Mal so ein besonderes Erlebnis, weil diese Unmittelbarkeit und Direktheit auf alle überspringt, und das macht mir wirklich Spaß und Vergnügen, dieses gemeinsame Filmerlebnis zu ermöglichen.

Persson Perry Baumgartinger, Elisabeth Schneider ( 2019): „Man muss mit einer großen Leidenschaft und einem gewissen Sendungsbewusstsein arbeiten.“. Elisabeth Schneider im Gespräch mit Persson Perry Baumgartinger über regionale Kulturarbeit in Radstadt, Land Salzburg. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 10 , https://www.p-art-icipate.net/man-muss-mit-einer-grossen-leidenschaft-und-einem-gewissen-sendungsbewusstsein-arbeiten/