Pinpointing Workshops

Well Connected: Voicing Responsibility

Well Connected ist eine Plattform für projektbasierte Zusammenarbeit von Student_innen des Studiengangs „Kulturen des Kuratorischen“ an der Hochschule für Grafik und Buchkunst unter der Leitung von Vera Lauf. Für das KW Institute for Contemporary Art in Berlin haben sie eine Veranstaltung zum Thema der (kuratorischen) Verantwortung entwickelt: „Voicing Responsibility“, die aus zwei Veranstaltungsteilen an zwei aufeinanderfolgenden Tagen bestand: ein Abend mit Tischgesprächen, und am nächsten Vormittag Breakfast (a.k.a. Dinner) Exchange Berlin. Der Teil der Tischgespräche, der in diesem Text besprochen wird, fand am Abend des 20. Juli 2012 statt, kurz nach Ende der 7. Berlin Biennale. Eingeladen wurde dazu, gemeinsam die Fragen „Welche Verantwortung trägt Kultur? Wie tritt Verantwortung im kuratorischen Handeln in Erscheinung?“*4 *(4) in kleinen Gruppen mit Expert_innen zu diskutieren. Im zweiten Stock des KW standen fünf Tische, auf die aus Klebeband die Titel der kurzen Inputs der geladenen Expert_innen geschrieben waren. Im ersten Stock befand sich die Radiostation. Bot_innen brachten laufend ihre Eindrücke von den Diskussionen an den Tischen zu den Radiosprecher_innen.

Männerstimme: Hallo verehrte Zuhörer aus aller Welt, (…) „Voicing Responsibility“ heißt unsere Veranstaltung. Das Radio ist im Ausstellungsraum aufgebaut. Sie können sich das so vorstellen: Im ersten Obergeschoss der KW ist das Radiostudio und im zweiten Obergeschoss sind Besucher und Besucherinnen der Veranstaltung, die bereits eingetroffen sind. Sie schauen herunter auf das Radio und warten gespannt, was wohl heute Abend alles so passieren wird.

Frauenstimme: All is possible, that part I understood.

(…)

Männerstimme: In Kürze werden dann alle an den Tischen Platz nehmen, es wird eine erste von zwei Diskussionsrunden geben, die etwa je 50 Minuten dauern. (…)

Ich höre grade, es geht gleich los. Wir schicken die Boten gleich hoch in den oberen Stock. (…) Die Boten gehen jetzt, und ich sehe, die Referenten und Referentinnen begeben sich schon an die Tische, die Besucher und Besucherinnen folgen, ich habe auch Leute entdeckt, die ich zufälligerweise kenne … [zählt eine Reihe von Namen auf, die er der Liste der per Mail Angemeldeten entnimmt].

Frauenstimme: All visitors spreading equally at the five tables, everyone starts finding there spaces and places.

Als Beitragende waren angegeben: Expert_innen, Bot_innen, Radio ON AIR und Nails Now. Well Connected waren mit KW als Organisator_innen ausgewiesen, und die einzelnen Namen unter „Verantwortung tragen:“ aufgelistet. Ansonsten waren Rollen, Kompetenzen und Hintergründe nicht näher definiert.

Im Gespräch hat Vera Lauf darauf hingewiesen, dass sie das Publikum aktiv einbinden wollten, ohne didaktisch zu werden und ohne den Imperativ „Du musst …“. Durch das Weglassen der sonst üblichen Kategorien von Künstler_innen, Kurator_innen, Theoretiker_innen usw. sollen, so Lauf, die vermeintlich festen Grenzen der Rollengrenzen und Handlungsmuster aufgelöst werden, um dadurch die Möglichkeit zu einer situativen Umverteilung der Rollen sämtlicher Akteur_innen, inklusive Publikum, zu schaffen.

Die Gesprächssituation im Workshop war informell und umging viele Punkte der sozialen Kontrolle. Die Teilnehmer_innen konnten sich beteiligen, aber es entstand kein Druck auf die/den Einzelne_n, da es genug Sprecher_innen und genug Geräusche im Raum gab. Durch die Bewegungen der Bot_innen, die sich immer wieder von der Tischrunde zur Radiostation begaben, war sogar das Verlassen der Gesprächsrunde möglich, ohne unangenehm aufzufallen. Auch das Ende des jeweils gesetzten Zeitrahmens wurde informell kommuniziert, indem Andreas Liebmann, einer der Moderator_innen von Radio ON AIR, anfing Cello zu spielen, und das Licht von den Tischen zu ihm wechselte.

Lena: Vera Lauf beschreibt Voicing Responsibility eigentlich wie das Kuratieren einer Ausstellung, nur dass sie keine Werke ausstellen, sondern Diskurse herstellen. Es gab eine Lichtsetzung; sie haben Künstlerinnen und Künstler eingeladen, die Tische so im Raums verteilt, dass eine bestimmte Erzählung entsteht, Bezüge hergestellt werden; eine Art Beschilderung gemacht. Sozusagen das Kuratieren eines Zeitraums.

Nanne: Und es war auch ein Ausstellungsraum.

Lena: Ja, in dem die Diskussion materielle Werke ersetzt. Well Connected lassen über Verantwortung reden, aber stellen sich in den Hintergrund, lassen ihre eigene Verantwortung, ihre Entscheidungen beinahe unsichtbar werden.

Nanne: Ein stückweit ein Versuch zu schauen, was passiert und was die Leute von alleine machen. Man hebt ein klassisches Format auf, bei dem die Rollen festgelegt sind, und zwingt die Teilnehmenden dazu selber Entscheidungen zu treffen. Auf den ersten Blick versucht es Paternalismus zu vermeiden.

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Bennett, Tony (2010): Der bürgerliche Blick. in:  von Hantelmann, Dorothea/ Meister, Carolin (Hg.). Die Ausstellung. Politik eines Rituals. Zürich, Berlin: diaphanes.

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Miessen, Markus (2012): Albtraum Partizipation. Berlin: Merve-Verlag.

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Latour, Bruno (2001): Das Parlament der Dinge: Für eine Politische Ökologie. 1. Aufl. Frankfurt am Main: Suhrkamp.

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Latour, Bruno (2005): Von der Realpolitik zur Dingpolitik oder Wie man Dinge öffentlich macht. Berlin: Merve.

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Schlieben, Katharina (2004): Dispositive Workshop. in: Lind, Maria (Hg.): Gesammelte Drucksachen. Spring 02 – Fall 04. Frankfurt a. M.: Revolver Verlag.

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Bhabha, Homi K. (1998): Conversational Art. In: Jacobs, Mary Jane/Brenson, Michael (Hrsg). Conversations at The Castle: Changing Audiences and Contemporary Art. Cambridge, Mass.: M.I.T. Pr.

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Doherty, Claire (Hg.) (2004): Contemporary Art: from studio to situation. London: Black Dog Publ.

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Bishop, Claire (2012): Artificial Hells. Participatory Art and the Politics of Spectatorship. London; New York: Verso.

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Virno, Paolo/Neundlinger, Klaus (2008): Grammatik Der Multitude: Öffentlichkeit, Intellekt und Arbeit als Lebensformen. Mit einem Anhang: Die Engel und der General Intellect: Individuation bei Duns Scotus und Gilbert Simondon. Wien: Turia & Kant.

Seit Ende 2012 agieren sie nun unter dem Namen Klasse Bewusstsein. http://klasse-bewusstsein.de/

Auszug aus der Veranstaltungseinladung

Eine Reflexion über den Workshop „Arbeitslose als Avantgarde“ ist nachzulesen in: Buurman, Nanne (2009): „Picknick im Palmenhain“. In: Mörsch, Carmen (Hg.): Kunstvermittlung Bd. 2. Zwischen kritischer Praxis und Dienstleistung auf der documenta 12. Zürich, Berlin: diaphanes.

Auszug aus der Veranstaltungseinladung – http://www.kdk-leipzig.de/well-connected.html

Lena Brüggemann ( 2013): Pinpointing Workshops. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 03 , https://www.p-art-icipate.net/pinpointing-workshops/