„Zuerst müssen wir uns die Frage stellen: Von welcher Kultur sprechen wir denn hier?“

Thomas Philipp im Gespräch mit Anita Moser über Herausforderungen und Maßnahmen für ländliche Räume

Das bringt mich zum Thema Kulturbegriffe: Bei Kulturveranstaltungen im Rahmen von Sportevents wird von einem anderen Kulturbegriff ausgegangen als beispielsweise bei einer Ausstellung. Mit welchen Kunst- und Kulturbegriffen wird in Salzburgs Kulturpolitik gearbeitet?

Es gibt einen sehr starken Repräsentationsansatz, der Kultur eben als repräsentatives, symbolisches Moment begreift, nicht nur in der Stadt Salzburg, sondern auch am Land. Dieser wird – und ich war auch überrascht, nachdem ich mich sehr intensiv damit auseinandergesetzt habe – auf alle Fälle von einem starken Drang in Richtung zeitgenössischer Kunstproduktion durchbrochen. Das zieht sich durch alle Ebenen durch, von den großen Tankern bis hin zu den kleinen Initiativen. Volkskultur ist in Salzburg auch stark. Jeder sechste oder siebte Salzburger Bürger ist in einer volkskulturellen Initiative engagiert.

Wenn wir von kultureller Teilhabe sprechen, müssen wir uns zuerst die Frage stellen: Von welcher Kultur sprechen wir denn hier? Dann können wir über die Frage des Begriffs der Teilhabe sprechen, die ja auch spannend ist. Partizipation ist wieder etwas anderes.

Wenn wir von echter Teilhabe sprechen, prägen wir über den Teilhabebegriff den Kulturbegriff gleich mit, weil diese Teilhabe für uns keine Konsum-, Repräsentations- oder folkloristische Kultur beinhaltet, sondern einen fortschrittlichen Ansatz, der eher in Richtung zeitgenössischer Kunstproduktion geht, die aber für alle zugänglich ist und wo alle mitmachen können.

Würdest du sagen, dass Partizipation und Teilhabe etwas ganz anderes ist?

Nein, ganz etwas anderes nicht. Aber Teilnahme und Teilhabe sind etwas anderes. Bis in die 1990er Jahre war der Teilnahmebegriff viel stärker und dann ist aus einem emanzipatorischen Anspruch der Teilhabebegriff herausgekommen. Der Partizipationsbegriff war immer schon da, hat aber sicher auch in den letzten 15, 20 Jahren größeres Gewicht erhalten. Es gibt aber auch berechtigte Kritik am Partizipationsbegriff, weil er so viel vermischt und auf so vielen Ebenen daherkommt. Banal gesagt kommt mir ein Wort wie Scheinpartizipation sofort über die Lippen, aber bei Scheinteilhabe spießt es sich.

Es gibt verschiedene Stufenmodelle, ladders of participation, wo der Partizipationslevel aufgeschlüsselt wird. Teilhabe ist da eher am höheren Level angesetzt, aber nicht ganz oben, denn dort geht es um vollkommene Selbstermächtigung und ganz eigene Aushandlungsformen. Wenn ich Politiker wäre, könnte ich sagen, dass es ein partizipativer Prozess sei, wenn ich irgendwo informiert habe und Bedürfnisse ein bisschen abgefragt habe. Wir würden aber sagen: Moment, Teilhabe ist das aber nicht.

 

Anita Moser, Thomas Philipp ( 2019): „Zuerst müssen wir uns die Frage stellen: Von welcher Kultur sprechen wir denn hier?“. Thomas Philipp im Gespräch mit Anita Moser über Herausforderungen und Maßnahmen für ländliche Räume. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 10 , https://www.p-art-icipate.net/zuerst-muessen-wir-uns-die-frage-stellen/