„Partizipation setzt nicht nur voraus, dass ein Projekt offen ist“
Reinhold Tritscher im Gespräch mit Timna Pachner
Wie beurteilen Sie im Allgemeinen die Förderlandschaft in Salzburg?
Grundsätzlich macht die Stadt Salzburg meiner Meinung nach seit Jahren eine sehr vernünftige Kulturpolitik. Die kulturelle Landschaft ist im Vergleich zu vielen anderen Städten unheimlich reich und bunt. Die freie Szene ist aber im Gegensatz zu institutionalisierten Bereichen noch immer unterdotiert. Das Land Salzburg hat mit dem Kulturentwicklungsplan einen großen Schritt gemacht. Da ist abzuwarten, wie weit er tatsächlich umgesetzt wird. Es gibt im Allgemeinen immer noch eine große Diskrepanz zwischen den sehr hoch dotierten Institutionen und einem sehr prekären, freien Bereich, wobei ich persönlich glaube, dass es nicht um unmögliche Summen ginge, um die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Mit wenigen Ausnahmen am Land sind die Institutionen ganz gut aufgestellt. Jetzt sollte es meiner Meinung nach noch um die Künstler*innen gehen. Vor allem was die faire Bezahlung von Künstler*innen angeht, sehe ich noch großes Verbesserungspotenzial.
Wenn Sie zurückdenken: Aus welchen weiteren Gründen haben Menschen in den vergangenen zwei Jahrzehnten nicht an Projekten teilnehmen können? Mobilität und Betreuung sind Faktoren, damit in Verbindung fehlende Ressourcen. Gibt es noch andere Gründe?
An den Basisprojekten, also den theaterpädagogischen Projekten, kann grundsätzlich jede*r teilnehmen, die/der es schafft, zu den Werkstattterminen zu kommen. Abgesehen davon gibt es für mich ein einziges Ausschlusskriterium. Wenn jemand gar nicht gruppenfähig ist oder Gewalt gegen andere Gruppenteilnehmer*innen anwendet, ist das ein Ausschlussgrund.
Was bedeutet für Sie persönlich kulturelle Teilhabe?
Die Frage ist, wo kulturelle Teilhabe beginnt. Wir haben zum Beispiel seit einigen Jahren ein Projekt mit der Neuen Mittelschule Hof. Das ist ein theaterpädagogisches Projekt an einer Schule, an der wir mit dem gesamten zweiten Jahrgang arbeiten. Ich mag dieses Projekt gern, weil es dort sein kann, dass Menschen ein einziges Mal in ihrem Leben an einem Theaterprojekt mitwirken. Das ist für mich auch eine Form kultureller Teilhabe: Menschen eine neue Welt zu eröffnen. Ich finde es wichtig, bereits im jungen Alter damit zu beginnen, weil es große Bevölkerungsgruppen gibt, die ein Leben lang von Kunst ausgeschlossen sind, weil sie nie damit in Berührung gekommen sind. Deswegen ist für mich der Begriff der kulturellen Teilhabe eigentlich ein sehr, sehr breiter.
Von welcher Seite ist hier der Impuls für die Kooperation gekommen?
Da war sicher die Direktorin die wesentliche Initiatorin, aber mittlerweile ist es so, dass acht, neun Lehrer*innen beteiligt sind und drei bis vier Künstler*innen die Workshopleitung machen. Das Projekt ist inzwischen ein Fixpunkt an dieser Schule. Da ist über Jahre etwas gewachsen und hat sich gut entwickelt. Beide Seiten waren bereit, sich aufeinander einzulassen. Wir haben im Laufe der Jahre gelernt, wie die Zusammenarbeit am besten funktioniert und mittlerweile steht die Schule sehr hinter dem Projekt und hat es auch in den Lehrplan integriert. Das ist für mich der Idealfall. Klar gibt es dort auch Zeitmangel und man muss schauen, wie man alles unterbekommt. Das ist ganz normal, aber grundsätzlich hat man das Gefühl, dass unsere Arbeit an dieser Schule gewünscht ist, und das finde ich klasse.
Wir sind außerdem seit letztem Jahr dabei, in der Region Saalfelden-Leogang ein kleines Festival unter dem Titel VOLXOMMER aufzubauen. Es hat 20 Jahre lang die Leoganger Kinderkultur gegeben, die eine der renommiertesten österreichischen Kinderkulturveranstaltungen war. Die haben großartige Dinge auf die Beine gestellt. Als es sie nicht mehr gab, haben wir gesagt, dass wir etwas in diesem Bereich machen müssen und haben eine Kinderkulturwoche ausgeschrieben. Alle Künstler*innen waren drei Wochen lang vor Ort, und wir haben das einfach gemacht. Wir hatten auf Anhieb 80 Anmeldungen und mussten irgendwann sagen, dass Schluss ist. Unter den Teilnehmer*innen waren ‚normale‘ Leoganger*innen, Saalfeldner*innen bis hin zu Migrantenkindern. Das finde ich wichtig. Da fängt für mich kulturelle Teilhabe an. Sie bezieht sich nicht nur auf einen Aspekt. Zum Beispiel ist auch Armut ein Thema. Das, was wir angeboten haben, hat es in der Stadt Salzburg auch von einem anderen Anbieter gegeben. Da hat die Woche für ein Kind 350 Euro gekostet. Wir haben die ganze Woche um 50 Euro angeboten, weil wir über Partner*innen Geld zusammenbekommen haben. Das heißt, man schließt Leute über Geld aus.
Timna Pachner, Reinhold Tritscher ( 2020): „Partizipation setzt nicht nur voraus, dass ein Projekt offen ist“. Reinhold Tritscher im Gespräch mit Timna Pachner. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 11 , https://www.p-art-icipate.net/partizipation-setzt-nicht-nur-voraus-dass-ein-projekt-offen-ist/