„Gerade in ländlichen Räumen ist es wichtig, mit dem Begriff Feminismus zu arbeiten“

Stefania Pitscheider Soraperra im Gespräch mit Anita Moser über Entwicklungen, Herausforderungen und Teilhabestrategien des Frauenmuseum Hittisau

Das Frauenmuseum wurde 2000 gegründet. Wie hat es sich über die Jahre verändert?

Eröffnet wurde das Frauenmuseum 2000, die Arbeit daran hat 1999 begonnen. Damals wollte die Gemeinde ein Feuerwehr- und Kulturhaus errichten, und zwar mit einer musealen Einrichtung – denn jede Gemeinde, die etwas auf sich hält, hat auch ein Museum. Ich glaube, die meisten Menschen haben damals in Richtung Heimatmuseum gedacht. Interessanterweise war es das Land Vorarlberg, das einen anderen Weg eröffnet hat. Es wollte kein weiteres Heimatmuseum kofinanzieren und meinte, dass sich Hittisau etwas anderes einfallen lassen müsse. Das war die Stunde von Elisabeth Stöckler, die das Museum gegründet hat. Sie hat der Gemeinde ein Konzept für ein Frauenmuseum vorgelegt, das ohne Gegenstimme durchgegangen ist, was mir bis heute wie ein kleines Wunder vorkommt.

In Bezug auf die Personalsituation hat es im Frauenmuseum damit begonnen, dass Elisabeth Stöckler eine Halbtagsstelle hatte und die anderen Mitarbeiterinnen ehrenamtlich gearbeitet haben. Der nächste Schritt war, dass alle im Museum arbeitenden Frauen Honorarnoten gestellt und kleine Aufwandsentschädigungen erhalten haben. Es hat sich gezeigt, dass das wichtig ist, auch um die Motivation aufrechtzuerhalten. Elisabeth Stöckler war acht Jahre am Haus und wollte sich schließlich beruflich verändern. Die Arbeit im Museum war einfach sehr fordernd. Ich sage immer, sie war über viele Jahre die eigentliche Sponsorin dieses Hauses, weil sie sehr viel Zeit und Energie für wenig Geld investiert hat. Die Kulturvermittlerinnen sind schließlich zum Bürgermeister marschiert und haben gesagt: „Entweder ist die nächste Leiterin ganztags angestellt oder wir hören auf.“

Als ich 2009 begonnen habe, hatte ich also eine andere Ausgangsposition. Ich bin überzeugt davon, dass die Arbeit, die passiert, um das Frauenmuseum aufrechtzuerhalten, bezahlte Arbeit sein muss. Deshalb war der nächste Schritt, alle Kulturvermittlerinnen geringfügig anzustellen. Geringfügigkeit ist zweischneidig und kann für Frauen auch eine Falle sein, das ist mir bewusst. In der Genese des Hauses war es aber ein großer Schritt. Es war ein Kampf, dorthin zu kommen. Wir teilen uns das Haus mit der Feuerwehr und dem Musikverein – und da heißt es immer, dass die anderen Leben und Häuser retten, und zwar ehrenamtlich. Wir mussten klarmachen, dass Bereitschaftsdienst und die Aufrechterhaltung eines Betriebs zwei unterschiedliche Paar Schuhe sind – und dass die Arbeit im Frauenmuseum bezahlt werden muss. Nicht zuletzt, weil Frauen ohnehin den Löwenanteil an unbezahlter Arbeit für die Gesellschaft leisten, etwa in den Familien oder in der Pflege. Das war ein langer, schwieriger Prozess, vor allem auf Gemeindeebene, letztlich aber erfolgreich. Seit mittlerweile sechs Jahren gibt es neben meiner eine zweite 70-Prozent-Stelle. Jetzt stehen wir an der Schwelle zur nächsten Entwicklung: Wir brauchen eine zusätzliche Person für Marketing, Vermittlung und Koordinierung.

Neben den personellen Veränderungen gab es auch strukturelle. Es hat sich ziemlich schnell gezeigt, dass es sehr mühsam ist, quasi als Abteilung der Gemeinde zu arbeiten. Man ist mit dem Haus Teil der Kameralistik, was schwierig ist, und man muss sich dauernd gegenüber 18 Gemeindemandataren erklären, von denen viele überhaupt nichts anfangen können mit dem, was hier passiert. Daher haben wir schon damals, als ich hier zu arbeiten begonnen habe, eine Ausgliederung aus der Gemeinde angestrebt. 2018 ist das Frauenmuseum schließlich in eine autonome Trägerschaft übergegangen. In diese entsenden die Gemeinde und das Land Vorarlberg je drei Personen, und die Obfrau unserer Fördergesellschaft ist auch Teil davon. Die Struktur ist viel klarer geworden. Für mich persönlich ist die Arbeit mehr geworden, trotzdem ist es aber eine ganz andere Arbeit, weil es nun ein Gremium mit sieben Menschen gibt, die ein großes Interesse daran haben, dass sich dieses Haus gut entwickelt.

 

Ausstellung „Gestickte Moral“. Foto: Ines Agostinelli

 

Heißt das auch, dass man inhaltlich anders arbeiten kann, weil die Nähe zur Gemeinde nicht mehr so stark ist?

Ich hatte bei meinem Arbeitsbeginn gar nicht erwartet, dass es keinerlei politische Interventionsversuche geben würde – es hat sie aber tatsächlich nie gegeben. Ein einziges Mal gab es einen Aufschrei, als Christian Fiala einen Vortrag über das heikle Thema Abtreibung halten hätte sollen. Es gab in Kirchenkreisen großen Protest und man sagte, dass man zum Bischof und zum Landeshauptmann gehen würde. Die Aufregung passierte, nachdem der Vortrag ohnehin schon wegen Krankheit abgesagt worden war. Das war das erste und einzige Mal, dass es wegen inhaltlicher Fragen richtig emotional geworden ist. Und das, obwohl viele Themen nicht so bequem sind. Emotional wurde es aber oft auf einer anderen Ebene, nämlich immer dann, wenn es um Geld ging.

Anita Moser, Stefania Pitscheider Soraperra ( 2020): „Gerade in ländlichen Räumen ist es wichtig, mit dem Begriff Feminismus zu arbeiten“. Stefania Pitscheider Soraperra im Gespräch mit Anita Moser über Entwicklungen, Herausforderungen und Teilhabestrategien des Frauenmuseum Hittisau. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 11 , https://www.p-art-icipate.net/gerade-in-laendlichen-raeumen-ist-es-wichtig-mit-dem-begriff-feminismus-zu-arbeiten/