„Gerade in ländlichen Räumen ist es wichtig, mit dem Begriff Feminismus zu arbeiten“

Stefania Pitscheider Soraperra im Gespräch mit Anita Moser über Entwicklungen, Herausforderungen und Teilhabestrategien des Frauenmuseum Hittisau

 

„Diese Frauen verändern die Gesellschaft und den ländlichen Raum durch ihre Arbeit im Museum.“

 

Sie werden später noch im Rahmen einer öffentlichen Veranstaltung an unserem Programmbereich Zeitgenössische Kunst und Kulturproduktion über Selbstermächtigung durch Kulturarbeit sprechen. Haben Teilhabeformate, wie die eben beschriebenen, Aspekte der Selbstermächtigung?

Ja, das würde ich schon sagen. Mit der im Vortragstitel angesprochenen Selbstermächtigung beziehe ich mich aber ganz besonders auf unser Vermittlerinnenteam. Die Arbeit im Kulturbereich und im Museum spielt eine sehr wichtige Rolle für diese Frauen. Insgesamt waren es in den 20 Jahren des Bestehens des Frauenmuseums 70 Frauen, die hier gearbeitet haben. Wir sind jetzt gerade dabei, sie sichtbar zu machen:  Es wird von jeder ein Porträt geben. Diese Frauen verändern die Gesellschaft und den ländlichen Raum durch ihre Arbeit im Museum. Diese Frauen haben alle Familien – dort passiert etwas, das zieht weite Kreise.

Für die Mitarbeit in unserer Institution ist es nicht relevant, welche Ausbildung die Frauen haben, ob sie nun ein Universitätsstudium oder eine Berufsausbildung haben. Es ist auch nicht so, dass die Institution sie ermächtigen muss zu sprechen. Es ist nicht relevant, wie lange sie beim Museum sind oder wo sie im ohnehin sehr flach gehaltenen Organigramm stehen. Das Einzige, was von den Mitarbeiterinnen verlangt wird, ist eine tiefe Auseinandersetzung mit den Themen. Dadurch ermächtigen sie sich selbst zu sprechen und mit dem Publikum in Beziehung zu treten. Es gibt von einer Kulturvermittlerin immer so etwas wie eine Einführung. Es gibt Hard Facts, die stimmen müssen, aber darüber hinaus ist der Zugang der einzelnen Vermittlerinnen zum Thema ein ganz individueller. Ich finde, es geht gut auf, weil die Frauen sich ausnahmslos ganz intensiv mit jedem Thema auseinandersetzen. Es ist ein Wachsen an der Auseinandersetzung mit den Themen und das finde ich fantastisch.

 

Also hat das Frauenmuseum eine Ankerfunktion für viele Frauen im Ort?

Die hat es ganz sicher. Die Frauen kommen ja alle aus der Region. Manche kommen aus Familien, die seit Jahrhunderten dort sind und andere sind aus familiären oder sonstigen Gründen zugezogen und haben nach einer Möglichkeit gesucht, da anzudocken. Für beide ist es gut und beide finden sich darin.

 

Ausstellung „Ich am Gipfel“. Foto: Ines Agostinelli

 

Könnte man sagen, dass das Frauenmuseum auch so etwas wie eine Gegenkultur oder Alternativkultur bietet?

Nein. Das würde ich mir wünschen. Für manche Frauen, die zugezogen sind, ist es sicher ein Ort, wo sie in unserer doch sehr konservativen, patriarchal geprägten Gesellschaft ein bisschen etwas Anderes leben können. Zum Teil ist es so, dass die Frauen auch aus diesen Strukturen kommen und am Anfang vielleicht affirmativer damit umgehen, aber durch die Auseinandersetzung mit anderen Lebensrealitäten schließlich eine kritische oder differenziertere Haltung entwickeln.

 

Gibt es im Ort besondere Allianzen über den Kulturbereich hinaus, die für die Arbeit wichtig sind?

Der Tourismus und der Handel haben inzwischen verstanden, dass wir wichtig für die Ortschaft sind. Da erlebe ich eine wachsende Unterstützung. Gerade im ländlichen Raum sind Kooperationen generell sehr wichtig. In Vorarlberg gibt es ein sehr hohes Maß an Kooperationswillen zwischen den Institutionen, auch mit einer Handschlagqualität. Das vorarlberg museum – das wichtigste Museum und zudem eine Landeseinrichtung – hat ein starkes Selbstverständnis als Primus inter Pares. Es gibt von ihm viel Unterstützung und die Bereitschaft zur Einbindung auch kleinerer Institutionen – und das auf Augenhöhe. Ich finde diese Kooperation wichtig, weil Vereinzelung natürlich auch die Gefahr der Verstummung birgt.

 

Was sind die größten Herausforderungen in der alltäglichen Arbeit?

Für mich ist es eine große Herausforderung, zu schauen, dass die Kommunikationswege nach innen und außen gut funktionieren und hier die Balance zu halten. Es ist auch eine Herausforderung, mit der Arbeit nicht über die Stränge zu schlagen. Wir tendieren dazu, immer sehr viel zu tun, sehr viel zu wollen und dann auch sehr schnell in einen Bereich zu kommen, wo es zu viel wird, auch weil das Geld nicht da ist. Das Geld zu lukrieren und die ganzen verwaltungstechnischen Dinge sind manchmal große Herausforderungen, ebenso die Balance zwischen Work und Life zu halten. Sie betrifft nicht nur mich, sondern alle im Museum.

Anita Moser, Stefania Pitscheider Soraperra ( 2020): „Gerade in ländlichen Räumen ist es wichtig, mit dem Begriff Feminismus zu arbeiten“. Stefania Pitscheider Soraperra im Gespräch mit Anita Moser über Entwicklungen, Herausforderungen und Teilhabestrategien des Frauenmuseum Hittisau. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 11 , https://www.p-art-icipate.net/gerade-in-laendlichen-raeumen-ist-es-wichtig-mit-dem-begriff-feminismus-zu-arbeiten/